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Joerg Bergstedt, Annette Schlemm * Freie Menschen in Freien Vereinbarungen (was: [ox-en] Conference documentation)



Freie Menschen in Freien Vereinbarungen
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Jörg Bergstedt [projektwerkstatt apg.lahn.de], Annette Schlemm
[annette.schlemm t-online.de]

Diskussionen über die Bedingungen herrschaftsfreier Gesellschaft und die Wege dahin
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Bericht Jörg Bergstedt
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Der Workshop erfüllte die Erwartungen nicht. Von Seiten der
ReferentInnen war Ziel, eine offene Diskussion zu erreichen und dafür
einen Rahmen zu schaffen. Dazu sollte auch gehören, die Teilung in
ReferentInnen und Teilnehmende zu durchbrechen sowie insgesamt eine
gleichberechtige Debatte zu führen. Ersteres gelang, jedoch folgte der
Sammlung von Themen dann die "Einigung" auf eines dieser vielen
möglichen Themen unter dem Gesamttitel. Die Einigung wurde eher
dominant durchgesetzt, andere Wortmeldungen nicht beachtet, wobei als
Zwangsrahmen die Orientierung aller auf eine plenare Debatte zu
beobachten war.

Das diskutierte Thema folgte auch aus Defiziten während der
Gesamtkonferenz. Dort empfanden viele, dass über die überwältigende
Männerdominanz nie gesprochen werden konnte. Das Vakuum durch den
Rückzug der ReferentInnen aus der Leitungsfunktion wurde durch diese
offene Frage gefüllt. Es ist schade, dass es der Gruppe (ca. 50 Leute)
nicht gelang, die Bedürfnisse aller strukturell umzusetzen. Eine
frühzeitige Einteilung in thematische Kleingruppen wäre ebenso möglich
gewesen wie dominanzärmere Verfahren der Diskussion in größeren
Gruppen (z.B. Fish Bowl, siehe auch Methodensammlung unter
http://www.projektwerkstatt.de/von-unten/).

Zur Diskussion des ursprünglichen Thema kam es nicht. Das ist schade,
weil der Versuch zu einem neuen Projekt unter diesem Thema schon
einigen sehr am Herzen lag. Missverständlich war offenbar auch die
Workshopbeschreibung, von der vor allem das inhaltliche Intro, aber
nicht oder kaum der Vorspann zum AK-Ablauf wahrgenommen wurde. Dann
wäre klarer gewesen, dass es um die Diskussion um das Projekt, seine
Schwerpunkte und Inhalte gehen sollte [...] wozu eine inhaltliche
Debatte aber auch passt.

Nun gut, dass ist nicht wieder gutzumachen. Die Debatte um
Männlichkeitsdominanz am Computer/bei Freier Software verlief
engagiert und intensiv. Auch das ist als Fazit wichtig. Ohne den Raum
in diesem AK dafür wäre sie wahrscheinlich nicht so möglich gewesen.

An dieser Stelle seien für die Interessierten Hinweise gegeben, wo
Einstiegsmöglichkeiten in das Projekt möglich sind:

o    Als erster Textentwurf ist "Ohne Herrschaft ginge vieles nicht -
     und das wäre gut so!" entstanden. Er ist angefügt.

o    Weitere Texte sind und werden unter
     http//www.projektwerkstatt.de/herrschaft gesammelt.

o    Schon länger steht unter http://www.opentheory.org/buchprojekt
     ein Forum über das Buch im Netz. Das wäre mit den ersten Ideen zu
     aktualisieren.

o    Rund um Weihnachten sollen Aktions- und Diskussionstage zu
     "Widerstand und Vision" in der Projektwerkstatt in Saasen
     stattfinden. Dort werden 1-2 Tage (oder nach Belieben mehr) auch
     diesem Projekt gewidmet werden (und alles andere ist auch nicht
     weit davon entfernt). Info werden unter http://www.hoppetosse.net
     zu finden sein.

Anhang: Der folgende Text wurde geschrieben als Kapitel 2 im Buch
"Nachhaltig, modern, staatstreu" mit einer Ideologiekritik an
politischen Gruppen (http://www.projektwerkstatt.de/materialien).

Ohne Herrschaft ginge vieles nicht - und das wäre gut so![1]
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Vorweg: Worum geht es?
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Eine Gesellschaft Freier Menschen in Freien Vereinbarungen ist eine
konkrete Utopie, [2] deren genaue Form nicht abgeschätzt werden kann.
Zu groß ist der Unterschied zu den herrschaftsförmigen Gesellschaften
der Gegenwart und Vergangenheit - und damit zu schwierig die
Vorhersagbarkeit des individuellen und sozialen Verhaltens von
Menschen ohne Zwangsverhältnisse. Anzunehmen ist, ist nach einem
Prozeß des Abbau bekannter Herrschaftsverhältnisse noch weitere zum
Vorschein kommen - die Emanzipation, d.h. die Loslösung und
Überwindung von Zwängen, von Herrschaft und Beherrschung aller Art,
wird ein langer, wahrscheinlich immerwährender Prozeß. Der Entwurf
einer einheitlichen Utopie als zukünftiger Gesellschaftsform im
herrschaftsförmigen Hier und Jetzt würde eine Vorgabe sein, die eher
eine Beschränkung als einer Befreiung gleich käme. Daher sind
Zukunftsentwürfe nur Möglichkeiten, jedoch ihre Beschreibung wichtig,
da sie beschreiben - wenn auch aus der aktuellen Perspektive -, daß
schon jetzt herrschaftsärmere Entwicklungen denkbar und erstrebenswert
sind. Eine abschließende Diskussion über die Details, über Machbarkeit
und notwendige Vereinbarungen in der Zukunft wird angesichts des durch
Herrschaftsverhältnisse beschränkten Horizontes, der eigenen
Zurichtung auf herrschaftsförmige Wahrnehmung von Menschen und
Gesellschaft sowie der nicht vorhandenen Erfahrungen kaum zu führen
sein. Viele Möglichkeiten werden aus der heutigen Sicht gar nicht
vorstellbar sein, so daß eine Festlegung einer Selbstbeschränkung
gleich käme. Zudem muß noch ein weiteres Hindernis in der Diskussion
ausgeräumt werden. Eine Analyse von Herrschaft und der Entwurf von
Ideen und Konzepten einer herrschaftsfreien Gesellschaft muß nicht zu
einer perfekten Welt führen. Es reicht, gegenüber dem heutigen Zustand
erstens eine spürbare Abnahme von gewaltförmigen Beziehungen zwischen
Menschen zu erlangen und zweitens die Situation so zu gestalten, daß
ein immerwährender Prozeß möglich ist. Das würde reichen, um die
Entwürfe als erstrebenswert zu empfinden und dafür einzutreten.

Die Fragestellung nach einer herrschaftsfreien Gesellschaft ist also
nicht die nach dessen exakter Form: Wie sieht eine utopische
Gesellschaft aus? Sondern der nach den Verhältnissen: Was fördert
heute und in herrschaftsförmigen Gesellschaften die Konkurrenz und
untergräbt Kooperation? Oder umgekehrt für die gewollte Utopie: Welche
Rahmenbedingungen fördern kooperatives und behindern konkurrierendes
Verhalten? Unter welchen Bedingungen gehen Menschen so mit sich und
anderen um, daß sie ihre Potentiale entwickeln, das gleichberechtigte
Miteinander bevorzugen und die eigene Selbstentfaltung so
organisieren, daß sich die anderen Menschen auch selbst entfalten
können?

Bei der Beantwortung solcher Fragen kommen viele Menschen zu der
Auffassung, daß nur eine starke Moral den Menschen bändigen kann. Der
Egoismus[3] des Menschen stehe der Neigung zur Kooperation gegenüber -
als Gegenmittel werden der Staat als aufklärerisch-kontrollierender
Überbau, eine Religion oder der Appell an die Selbstzügelung genannt.
Doch hinter diesen Auffassungen verbergen sich zwei entscheidende
Irrtümer:

o    Alle Versuche, statt dem vom Egoismus angetriebenen Menschen ein
     soziales und am Interesse anderer Wesen zu schaffen, sind Formen
     der Fremdbestimmung - selbst wenn appellativ an das Gute im
     Innern angeknüpft werden sollte. Denn schlechtes Gewissen ist
     Fremdbestimmung, es orientiert sich an Erwartungshaltungen
     anderer, an Angst und normativen Setzungen. Gesetze, Moral,
     Esoterik und Religion sind ohnehin Wertesysteme, die von außen
     kommen und den Menschen steuern.

o    Den Egoismus überwinden zu wollen, bedeutet den Verzicht auf den
     impulsivsten, energiegeladensten Antrieb des Menschen. Der
     Versuch wird meistens scheitern, weil der Egoismus zu stark ist.
     Wo er gebrochen wird, bleibt oft ein kraftloses,
     persönlichkeitsschwaches Wesen zurück.

Tatsächlich wäre wichtig, genau das stark zu machen und kooperativ zu
nutzen, was den Menschen im Kern antreibt: Sein Egoismus, der Wille
nach einem besseren Leben, das Bedürfnis nach Sicherheit bzw.
Geborgenheit, Lust und Befriedigung, Selbstentfaltung und Innovation -
alles also Ziele, die vom Egoismus gespeist werden. Die
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen müssen so sein, daß diese
Motivation die freie Kooperation fördert. Wenn es besser für ein gutes
Leben usw., kooperativ zu handeln, dann wird das auch eher geschehen.
Gesucht sind also Rahmenbedingungen, unter denen der Antrieb zu einem
besseren Leben, der Egoismus der Menschen, weitestmöglich das
kooperative Verhalten fördert und konkurrierende Beziehungen
verdrängt.

Mit dieser Sichtweise erledigt sich auch die Frage nach dem
Menschenbild. Was ist der Mensch? Ist er gut oder schlecht, wenn er
von Zwängen befreit ist? Mit der Idee der Freien Menschen in Freien
Vereinbarungen werden nicht die Menschen beschrieben, sondern die
Rahmenbedingungen. Es geht um die Frage, welche Rahmenbedingungen
maximal kooperatives Verhalten fördern und welche eher
konkurrierendes, Dominanz ausübendes Verhalten hervorbringen. Für
dieses Ziel ist unerheblich, wie der Mensch an sich ist. So oder so
ist das Ziel, kooperatives gegenüber konkurrierendem Verhalten
attraktiv zu machen. Das Ergebnis wird der Prozeß zu immer mehr
kooperativ-gleichberechtigten Beziehungen zwischen Menschen und der
Abbau von Konkurrenz und gewaltförmigen Verhältnissen sein - von
welchem Menschenbild und welcher Anfangssituation auch immer
ausgegangen wird. Die erhoffte Verbesserung, das mehr an Kooperation
und das weniger an Konkurrenz ist die ausreichende Motivation zum
Handeln.

Was fördert Konkurrenz? Was fördert Kooperation?
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Konkurrenz und Kooperation sind keine neuen Formen menschlichen
Miteinanders. Sie finden im Hier und Jetzt bereits statt. Sichtbar ist
auch heute bereits, was Konkurrenz fördert und was Kooperation
fördert. Das kann erste Anhaltspunkt geben, welche Rahmenbedingungen
eine herrschaftsfreie Gesellschaft fördern - und welche sie
verhindern. Das gibt nicht nur Grundlagen für die utopischen Entwürfe,
sondern auch Ansatzpunkte für Veränderungen im Alltag und in der
politischen Praxis. Zudem bietet sie einen grundlegenden Maßstab zur
Beurteilung politischer Forderungen und konkreter Projekte. Daher
sollen im folgenden die bereits heute spürbaren Aspekte aufgezählt
werden.

o    Jede Form institutioneller Herrschaft fördert Konkurrenz, weil in
     der Position des/r Herrschenden die Ausübung von Konkurrenz
     einfacher möglich ist. Zudem lassen sich die Folgen besser
     abschätzen. Wer also z.B. ein Interesse an einem Stück Land,
     einem Produkt, einem Rohstoff u.ä. hat, kann leichter
     konkurrierend agieren (statt sich mit anderen Menschen
     gleichberechtigt zu einigen), wenn eine durchsetzungsstarke
     Herrschaftsstruktur die Konkurrenz absichert. Entweder die Person
     oder Gruppe ist selbst in einer herrschenden Position oder kann
     per behördlichem Verfahren einen Rechtsanspruch absichern (Kauf,
     Genehmigung...) und somit gegen KonkurrentInnen mit den Apparaten
     der Herrschaft drohen. In allen diesen Fällen ist konkurrierendes
     Verhalten einfach möglich, zudem können Folgen wie Proteste durch
     die Repressionsorgane der benutzten Herrschaftsstruktur
     zurückgewiesen oder per Einschüchterung vorab verhindert werden.

o    Marktförmige Herrschaftsverhältnisse wie materielle
     Abhängigkeiten fördern ebenfalls die Konkurrenz. Wer keine Chance
     hat, sich selbst außerhalb der herrschaftsförmigen Beziehung
     (z.B. zum Arbeitgeber, LandbesitzerIn u.ä.) zu organisieren, ist
     auf die Kooperation angewiesen - kann also nicht ohne erhebliche
     Gefahren aus ihr aussteigen. Das sichert wiederum die Person, die
     über den bevorzugten Zugang zu Ressourcen verfügt, ab. Sie kann
     sich meist beliebig konkurrierend verhalten, weil sie in der
     überlegenen Position ist.[4]



o    Unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten fördern Konkurrenz. Wer
     über mehr Zeit, Wissen, Kraft, Geld, andere Ressourcen,
     Beziehungen usw. verfügt, kann im Kontakt mit anderen Menschen
     dieses unter Bedingungen stellen und somit oftmals die Regeln
     diktieren, unter denen dieses "Mehr" zur Verfügung gestellt
     werden kann. Der "Tauschwert" der Person und seines Besitzes sind
     größer. [5]

o    Fremdbestimmte sowie nicht oder nur schwer trennbare Beziehungen
     zwischen Menschen brechen Selbstbestimmung und schaffen Zwang
     statt freier Kooperation, z.B. Kleinfamilien,
     Zwangsverwandtschaft, Ehe, aber auch ArbeitnehmerInnenschaft,
     Schulklassen usw.

Alle Herrschaftsformen wirken konkurrenzsteigernd und
antiemanzipatorisch, aber sie unterscheiden sich dadurch, dass einige
auf sozialisierten, aber willensmäßig veränderbaren Haltungen beruhen,
andere wie Staat und Marktzwang eine über das individuelle
hinausgehende Systemhaftigkeit haben, u.a. die Selbstverwertung des
Wertes oder der Hang von Herrschaft zur eigenen Ausdehnung zwecks
Selbstabsicherung.[6]



Kooperation hat überall dort eine Chance, wo solche oder vergleichbare
Bedingungen fehlen. Kooperation und Konkurrenz bilden dabei eine
Spanne - mit den beiden (utopischen) Polen der totalen Fremdbestimmung
und der freien Gesellschaft. Je nach Bedingungen können sich
individuelle und gesellschaftliche Verhältnisse dem einen oder anderen
Pol annähern. Das Bild der Spanne zwischen Kooperation und Konkurrenz
ist beliebig oft wiederholbar - in den Beziehungen des Alltag, in der
materiellen Reproduktion (Arbeit, Haushalt, Konsum), in politischen
oder anderen Gruppen, in Projekten oder im gesellschaftlichen Umfeld
(informelle Kontakte, gesellschaftliche Arbeitsteilung, Verwaltungen,
Staat). Jegliches Herrschaftsverhältnis stärkt Konkurrenz.
Verschärfung von Herrschaftsverhältnissen, Ausbau von
Herrschaftsstrukturen, neue Erwartungshaltungen usw. verändert die
Situation immer stärker zum konkurrierenden Pol, während der Abbau von
all diesem die Kooperation stärkt. Wo Herrschaft in all seinen
Facetten fehlt, existiert nur noch die Gesellschaft der Freien
Menschen in Freien Vereinbarungen.

Antrieb dafür ist der Egoismus als Drang zum besseren Leben. Innerhalb
von Herrschaft ist ein besseres Leben meist über Konkurrenz
organisierbar. Was ist habe, hat jemand anders nicht - egal ob das
Eis, der Arbeitsplatz, die/der PartnerIn oder ein Buch. Die
Verrechtlichung mit den dahinterstehenden Herrschaftsstrukturen
schafft diese Situation. In einer herrschafts- und (damit
einhergehend) verwertungsfreien Gesellschaft sieht das anders aus.
Weiterhin bleibt der Egoismus, der Wille zum besseren Leben der
Hauptantrieb des Menschen. Nun ist aber alles, weil ein Mensch für
sich verbessert, auch eine Chance für alle anderen. Sie können das
Neugeschaffene auch nutzen oder zumindest reproduzieren. Was die/der
Einzelne schafft, ist selbst dann ein Vorteil für alle, wenn er/sie es
zunächst nur für sich gemacht hat. Und weil das so ist, ist auch die
Chance am größten, die freie Entfaltung aller anderen zu wollen - denn
deren Ideen und Produktivität, deren Musik, Kunst oder was auch immer
kann mir ebenfalls zum besseren Leben dienen, denn es ist nicht mehr
exklusiv.

Beispiele:

o    Wenn alles Wissen frei wäre von Eigentumsrecht in Form von
     Patenten, Lizenzen, Copyright usw., würde alles, was einmal
     erfunden oder erdacht ist, sofort allen helfen. Neue Techniken
     wären theoretisch überall nachbaubar und sogar weiterentwickelbar
     - so profitiert auch die Person oder Gruppe, die den ersten
     Schritt gemacht hat, von der Kooperation, weil andere dann ihr
     Werk verbessern. Und da Technik dem besseren Leben und nicht mehr
     dem Profit dienen, ist die Chance am größten, daß sich alle
     freuen, wenn andere die eigene Idee übernehmen und
     weiterentwickeln. Auf der Spanne von Konkurrenz und Kooperation
     ist das komplett freie Wissen ein starker Antrieb Richtung
     Kooperation.[7]

o    Wenn Land und Boden nicht mehr Einzelnen gehören würde, sondern
     die jeweils in einer Gegend Wohnenden gleichberechtigt darüber
     entscheiden, würden die Bedürfnisse und Träume der Menschen in
     den Vordergrund treten. Profitinteressen wären nicht mehr
     durchsetzungsfähig.

o    Wenn Produkte frei wären, müßte nicht mehr jede Person Waren oder
     Geld (als Gegenwert von Ware) horten, sondern das eigene Leben
     wäre am besten und auch am sichersten, wenn es einen gemeinsamen
     Reichtum gäbe, auf den jedeR Einzelne zurückgreifen könnte. Wenn
     mehr als genug zu essen da ist, ist auch für jeden Menschen genug
     da, da es keine erzwungene Aufteilung gäbe. Wo dagegen
     Eigentumsrechte mit Herrschaftsausübung zwischen den Menschen
     stehen, müßten alle für sich horten und für sich Sicherheit
     schaffen. Das würde Konkurrenz bedeuten und die
     Wahrscheinlichkeit steigern, daß tatsächlich einige zu wenig
     haben würden.

o    Offensichtlich ist, daß gesellschaftlicher Reichtum schneller zu
     erreichen und größer ist als individueller Besitz. Wenn alles
     allen gehört, haben auch alle alles. Unter den Verhältnissen von
     Privatbesitz muß jede Person selbst alles beschaffen - Essen,
     Bohrmaschinen (auch wenn nur einmal im Jahr benutzt), Zweitwagen,
     Abflußreinigungsdraht, Laptop, Eismaschine, Entsafter,
     Deutsch-Spanisch-Lexikon usw. Sofort könnte schon heute überall
     ein deutlich größerer Reichtum entstehen, wenn nur wenige
     Menschen jeweils als soziale Basisgruppe ihren materiellen Besitz
     teilen - umfassend ausgestattete Computer- und Werkräume, Küchen
     und Bibliotheken wären die sofortige Folge.

o    Die Effizienz der eigenen Tätigkeit würde steigen, weil Kontroll-
     und Überwachungstätigkeiten wegfallen würden.

Diese Vorschläge können schon heute verwirklicht werden. Projekte und
Forderungen dieser Art wären erste Schritte zu einer herrschaftsfreien
Utopie. Diese würde dann die Chancen der Freien Kooperation noch weit
deutlicher ausbauen - und damit die Tendenz des Verhaltens von
Menschen auf dem Strang von Konkurrenz bis zu Kooperation sehr stark
zu letzterer verschieben.[8]



Was ist Herrschaft?
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Herrschaft zu beschreiben, ist nicht einfach. Sie ist ein Verhältnis
zwischen Menschen, das durch unterschiedliche Möglichkeiten des
Handelns gekennzeichnet ist, die gegeneinander gerichtet werden
können. Herrschaft umfaßt dabei Mittel der direkten Beherrschung
(Gewalt, Entzug der Lebensmöglichkeiten, Freiheitsentzug), der
Beeinflussung (gerichtete Kommunikation über Bildung, Medien,
Öffentlichkeitsarbeit usw.), institutionalisierte, d.h. dauerhaft,
einseitig nicht oder nur schwer aufhebbar unterschiedliche
Handlungsmöglichkeiten (Reichtum, Zugang zu Wissen und Ressourcen,
körperliche Leistungsfähigkeit usw.) und Selbstbestimmung brechenden
Rollenzuweisungen (direkte Anweisung, gesellschaftliche Kategorien und
erziehende Zurichtung auf Rollen in Gesellschaft, Arbeitswelt, Familie
usw. - oft an Geschlecht, Herkunft, Alter oder Ausbildung orientiert).
Auch die Möglichkeit zur Androhung solcher Mittel oder Fremdbestimmung
ist bereits ein Herrschaftsverhältnis. Solche gewaltförmigen oder
-bedrohten Beziehungen können zwischen Menschen oder Institutionen und
Menschen bestehen und gegeneinander gerichtet werden.

Es gibt verschiedene Definitionen (siehe im Anhang), die versuchen,
das komplexe Phänomen Herrschaft zu fassen. Dabei teilen sie die
Herrschaft nach ihren Wirkungsprinzipien, nach Herrschenden oder
Beherrschten ein. All diese Einteilungen dienen allein dem Versuch,
Herrschaft begrifflich zu fassen und damit durchschaubar zu machen. In
der Realität ist die Unterscheidung in verschiedene Herrschaftslogiken
nicht vollständig möglich. Herrschaft wirkt komplex, die verschiedenen
Wirkungsformen überlagern und verstärken sich ständig. Es gibt weder
eine einfache Einzelform von Herrschaftsausübung noch eine einfache
Strategie gegen eine solche, separierbare Herrschaftsform.

Auch die im Folgenden entworfene Beschreibung von Herrschaft dient vor
allem der besseren Klärung, sie ist nicht tatsächlich so teilbar.

Institutionelle Herrschaft (direkte Formen von Oben und Unten)
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Die bekannteste Form der Herrschaft ist die der direkten Beherrschung.
Gewaltanwendung ist die auffälligste von ihnen. Herrschaft per
direkter Gewaltanwendung zielt auf momentane oder absolute
Unterwerfung der Person(en), gegen die Gewalt angewendet wird.
Beispiele sind Kinder, die von ihren Eltern geschlagen werden, jede
andere Form der körperlichen Gewalt zum Zweck der Beherrschung in
menschlichen Beziehungen, die zwangsweise Verhaftung durch Polizei
oder der erzwungene Aufenthalt in Gefängnis, Psychiatrie u.ä. über
Gewalt gegen Menschen bestimmter Hautfarbe, Geschlechter oder sozialem
Status bis hin zum Krieg. Die Androhung der Anwendung von Gewalt wirkt
ähnlich der tatsächlichen Anwendung, sie kann daher gleichgesetzt
werden. Das gilt auch für das als Drohung wirkende Potential der
Gewaltanwendung, selbst wenn keine Drohung ausgesprochen wird. Die
unterschiedlichen Möglichkeiten direkter Gewaltanwendung schaffen
schon dann eine Dominanz, wenn eine Anwendung von Gewalt im Bereich
des Möglichen und Vorstellbaren liegt. Diese Form ist zwischen
Menschen verschiedenen Geschlechts, Nationalität, Alters,
Bildungsgrades usw. sowie zwischen Institutionen und von ihnen
abhängigen Menschen häufiger als die tatsächliche Anwendung oder
Androhung von Gewalt. Sie ist in der Regel nicht nötig, ein
Herrschaftsverhältnis entsteht dennoch. Geschieht sie gelegentlich
doch, erhöht sie zugleich auch die Glaubwürdigkeit der latenten
Drohung.

Zur direkten Herrschaft gehört neben der Androhung von Gewalt in
Beziehungen zwischen Personen oder Personengruppen auch die Herrschaft
der Institutionen, also der Polizei, Justiz, der Ämter (Ausländeramt,
Finanzamt, Baubehörde usw.), Schulen und Hochschulen, des Militärs
(zur Zeit noch vor allem gegenüber Menschen und Institutionen im
Ausland) usw. Sie verfügen über das Recht, Denken und Handeln von
Menschen zu beeinflussen und diese Beeinflussung auch mit der
Androhung von Gewalt durchzusetzen.

Diese Form direkter Gewaltanwendung bzw. ihrer Androhung ist zwar nach
wie vor stark verbreitet, aber wird in modernen Herrschaftssysteme
Stück für Stück durch die Mittel der manipulativen Beeinflussung sowie
die Schaffung von Verhältnissen ersetzt, deren Zwang nicht auf
direkter Gewalt besteht. Zumindest ist das das Ziel moderner
Herrschaftssysteme, da direkte Gewaltanwendung die dahinterstehenden
Herrschaftsformen offensichtlicher werden läßt als Formen der
Verhaltenssteuerung ohne direkte Gewaltwendung. In den modernen
"Demokratien" dehnen sich daher die weniger offensichtlichen
Herrschaftsformen immer mehr aus, die in den folgenden zwei Punkten
beschrieben werden.

Marktförmige Zwänge (Kapitalverteilung und Abhängigkeit)
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Der Mensch braucht Reproduktion und er will Genuß - materielle wie
immaterielle. Er kann diese autark (für sich), in kleinen autarken
Gruppen oder selbstorganisiert-kooperativ erreichen (Subsistenz) oder
über den Markt. Marktwirtschaft ist eine Verregelung der Befriedigung
von Bedürfnissen. Sie schreibt die Formen vor, wie Mensch an Waren und
Dienstleistungen kommt - und wie er an den Gegenwert kommt, um
wiederum Waren und Dienstleistungen zu erhalten (Geld oder andere
Tauschwerte). Dabei kann der Markt anonym sein, d.h. ProduzentInnen
von Waren und KonsumentInnen kennen und begegnen sich nicht, oder
direkt, z.B. beim direkten Tausch. In beiden Fällen ist aber das
Prinzip von Wert, Wertung und Verwertung voll entwickelt. Es schafft
die Zwänge. Der Markt selbst ist damit eine Herrschaftsform, ein
Regelwerk. Dieses Regelwerk bestimmt Unterschiede zwischen den
Menschen. Es gilt die totale Konkurrenz, d.h. im Markt ist es immer
so, daß der Vorteil des einen der Nachteil des anderen (meist eines
Dritten, nicht der direkt Handelnden) ist. Das ist oft sehr brutal,
weil es Menschen in materielle Not und Abhängigkeit treibt. Die
aktuelle Politik des Neoliberalismus hat zudem totalitären Charakter,
weil es die Regeln des Marktes in jeder Region der Welt und auf jede
Lebenssituation ausdehnen will.

Die Verbindung mit den direkten Herrschaftsformen ist eng: Ohne
direkte Herrschaftsformen gäbe es keinen Markt. Die Verwertung basiert
auf Eigentumsrecht und den Zwang zur Verwertung im sogenannten "freien
Markt". Hinter diesem Zwang stehen direkte Herrschaftsverhältnisse.
Daher gibt es Zweifel, ob die marktförmige Herrschaft, die
Kapitalverhältnisse und der Verwertungszwang überhaupt als besondere
Herrschaftslogik abgetrennt werden können. Dieser Zweifel ist
berechtigt - kein Markt ohne Staat (oder eine ähnlich wirkende
Herrschaftsform). Daher sind auch alle politischen Strategien, den
Markt über eine Stärkung des Staates (Reregulierung, Steuern, Gesetze
usw.) einzuschränken, schon vom Ansatz hier falsch.

Dennoch scheint berechtigt, diese Herrschaftsform von der personalen
zu unterscheiden. Sie funktionieren zwar auf der Basis und mit
ständiger Androhung personaler Herrschaftsverhältnisse, wirken aber
auch dort fort, wo diese nicht selbst sichtbar werden. Der Markt ist
ein Regelwerk, daß aufgrund allgemeiner Akzeptanz sehr reibungslos
funktioniert - trotz seiner offensichtlichen Brutalität für die
VerliererInnen sowie den Zwang zur fremdbestimmten Ausbeutung von
Denk- und Arbeitskraft fast aller Menschen. Die dauernde Zuschreibung
von Werten für alle materiellen Dinge (Stoffe, Produkte, immer mehr
auch des Menschen, seiner Organe, Arbeits- und Zeugungsfähigkeit, Gene
usw.) und allen Wissens zum Zweck der Verwertung, also des Kaufs und
Verkaufs, der Mehrwertabschöpfung, des Tauschs oder der
Kapitalakkumulation kommt einer kontinuierlichen, sich selbst
reproduzierenden Verwertungs"maschine" gleich.

Diskursive Herrschaft (Kategorien, Erwartungen, Standards)
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Markt und institutionelle Herrschaft (vor allem der Staat und von ihm
legitimierte Institutionen) sind direkt sicht- und spürbar. Doch
Herrschaft ist komplexer. Durch gesellschaftliche Zurichtung
(Erziehung, Erwartungshaltungen, Anschauung gesellschaftlicher Praxis
als "Normalität"), Sprache, gerichtete Kommunikation und die
Propagierung von Standards (technische Normen, "das machen alle so"
oder "so ist das nun mal", Verhaltenskodex usw.) entstehen
Fremdbestimmung und unterschiedliches Wertigkeitsempfinden zwischen
Menschen. Alle werden in ihrem Leben für eine bestimmte soziale
"Rolle" beeinflußt, d.h. "konstruiert" wurden. Frauen gegenüber
Männern, Jugendliche gegenüber Erwachsenen, Menschen ohne Abschluß
gegenüber solchen mit akademischem Grad, Arme gegenüber Reichen,
ArbeitnehmerInnen gegenüber ArbeitgeberInnen oder Selbständigen, sog.
Behinderte gegenüber "Gesunden", Nichtdeutsche gegenüber Deutschen
(und jeweils umgekehrt) - diese und viele Unterschiede bestehen auch
dann, wenn Menschen frei aller sonstigen Herrschaftsverhältnisse
wären. Das ist nicht Schuld der Menschen oder ihrer Zusammenschlüsse,
aber nichtsdestotrotz der Fall. Es ist auch nicht einheitlich, denn
die oben genannten Personenkreise sind keine einheitlichen Gruppen -
aber in der Tendenz sind sie gesellschaftlich "konstruiert", d.h.
ihnen wird über Jahre und Jahrzehnte eine gesellschaftliche Rolle,
Erwartungshaltung und ein Selbstwertgefühl vermittelt. Innerhalb
dessen leben sie "funktional" in den realen
Gesellschaftsverhältnissen, d.h. sie empfinden ihre Position als
richtig für sich selbst, nehmen sie deshalb nicht mehr als konstruiert
wahr und wehren sich nicht gegen diese.

Die Verbindung mit direkten und marktförmigen Herrschaftsformen:
Diskurse sind beeinflußbar - über Bildung, Medien, Streuung gezielter
Informationen sowie über Wissenschaft. Gerade letztere hat viel dazu
beigetragen, biologistische Normen zu schaffen. Daß Frauen
gefühlsbetonter sind, daß Schwarze sportlicher, aber weniger
intelligent sind, daß Minderjährige nicht mündig sind, was als
behindert gilt - all das hat seinen Hintergrund in wissenschaftlichen
Diskursen und dem ständigen Weitertragen im Alltag. Die Institutionen
der Herrschaft nutzen die Diskurse und beeinflussen sie über ihre
herausgehobenen Möglichkeiten. Beispiele der letzten Jahre sind die
humanitären Kriegen (weitgehend gelungener Diskurs), der Wohlstand
durch globale Märkte (in großen Teil gescheitert, weil offensive
Proteste ihrerseits wieder Diskurse stark prägten) oder das Gute an
der Demokratie einschließlich der Verschleierung ihrer
Herrschaftsförmigkeit (weitgehend gelungen).

Konkrete Politik als Förderung von Kooperation
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Politische Forderungen und konkrete Projekte müssen kooperatives
Verhalten fördern. Die beschriebenen Bedingungen einer Gesellschaft,
in der Konkurrenz unattraktiv sowie Kooperation vorteilhaft für jeden
Menschen wird, müssen als Maßstab für die politische Praxis dienen -
zumindest dann, wenn sie einen emanzipatorischen Charakter haben soll.
Das aber behaupten fast alle politischen Gruppen aus den Bewegungen im
Umweltschutz, zu sozialen Fragen, feministische oder
Queer-Zusammenhänge bis hin zu internationalen Themen, Frieden oder
allgemein den Menschenrechten und menschenwürdigen Lebensbedingungen.
In ihrer Praxis aber mißachten sie, was Kooperation fördert oder
blockiert. Daher seien an dieser Stelle in kurzer Form politische
Grundpositionen benannt, die als Rahmen für emanzipatorische Politik
und Projekte dienen können.

Herrschaft abwickeln!

     Herrschaft verbessert die Möglichkeit zum konkurrierenden
     Verhalten. Daher ist es immer falsch, neue Herrschaft zu fordern,
     um die Folgen der bisherigen mildern zu können. Für Reformen
     bedeutet das, daß jeder Vorschlag und jeder Schritt auch dem
     Abbau von Herrschaft dienen muß. Neue Gesetze oder Veränderungen
     von Institutionen müssen die Freiräume der Menschen vergrößern
     und nicht deren Leben weiter verregeln, Kontrolle unterwerfen und
     Unterschiede ausgleichen, die auf Herrschaftsverhältnissen
     beruhen. Und sie sollten Ansatzpunkte für weitere Prozesse
     aufbauen. Revolutionäre Forderungen oder Umstürze müssen
     ebenfalls Herrschaft beenden oder abbauen, müssen Prozesse der
     immerwährenden Befreiung schaffen statt eines neuen Status Quo,
     der dann wiederum herrschaftsförmig verteidigt wird.

Verwertung und Profit abschaffen!

     Verwertung und Profit basieren bereits auf institutionellen
     Herrschaftsverhältnissen, fügen dieser dann durch die weitere
     Elemente der Unterdrückung, Diskriminierung usw. hinzu. Das
     wichtigste Herrschaftsinstrument, ohne das Verwertung nicht
     möglich ist, ist das Eigentum - im weitesten Sinne, d.h. zum
     einen an materiellen Dingen, Boden, Rohstoffen, zum anderen aber
     auch an Wissen, Wort und Bild, Genen, Lebensgrundlagen,
     Kommunikationswegen usw.

     Die Tatsache, daß Verwertung und Profit von Herrschaftsstrukturen
     abhängen, widerlegen auch das oft benannte Bild eines Gegensatzes
     von Staat und Markt. Ohne Herrschaftsstrukturen (also in den
     allermeisten Fällen der Staat) wäre Verwertung nicht
     durchsetzbar.

Eigentum aufheben: Freies Wissen und Freie Produkte!

     Gemeinschaftseigentum, Allmende, Copyleft usw. sind Begriffe für
     die Überwindung von Konkurrenz bereits heute. Sowohl politische
     Forderungen als auch die konkrete Praxis können so organisiert
     sein, daß sie immer wieder Projekte, einzelne Zellen und Prozesse
     schaffen, die der Verwertungslogik entrissen sind -
     Kommunikation, Häuser und Plätze, Software oder Maschinen...

Demokratisierung von Flächen- und Rohstoffnutzung!

     Herrschaft bedeutet nicht nur das Vermögen, Entscheidungen
     anderer zu beeinflussen, sondern auch, eigene Entscheidungen so
     zu treffen, daß andere die Folgen ertragen müssen. Auf dieser
     Grundlage findet die Umweltzerstörung statt - Umweltzerstörung
     ist also ohne Herrschaft nicht vorstellbar. Das Gegenbild ist ein
     emanzipatorischer Umweltschutz: Die Menschen werden zu
     AkteurInnen. Die Straßen, Häuserblöcke und Landschaften müssen
     den Menschen gehören, die in ihnen leben. Niemand kann über
     Flächen und Orte bestimmen, ohne selbst betroffen zu sein.
     "Demokratisierung von Flächen- und Rohstoffverbrauch" heißt das
     Gegenkonzept zu Ordnungsrecht oder dem kapitalistischen
     Instrument Ökosteuer. Vision ist eine Welt von unten. Die kleinen
     Schritte dahin bestehen aus konkreten Projekte, die die Menschen
     zu den EntscheiderInnen machen: Windanlagen, die den Menschen
     drumherum gehören (statt teurer Großanlagen ohne örtliche
     Akzeptanz), Stromnetze im Besitz der BürgerInnen, ökologische
     Bauernhöfe im Gemeinschaftsbesitz, lokale Ökonomien ohne Apparate
     und vieles mehr.

Nationen, Geschlechter, Rassen, Behinderungen, Unmündigkeit,
Psychiatrisierung und alle anderen Kategorien überwinden!

     Nicht nur die Diskriminierung nach diesen Kategorien, sondern
     ihre Bildung ist bereits Herrschaft. Sie treibt Menschen in eine
     bestimmte "Ecke", also Rolle in dieser Gesellschaft - mit den
     Erwartungshaltungen und den Reaktionen anderer Menschen. Eine
     konkrete Praxis sowie politische Forderungen müssen
     Diskriminierungen aufgrund der Kategorien und die Kategorien
     selbst aufheben.

Standardisierung und Normung aufheben! "Norm"alität brechen!

     Gesetzliche, technische und diskursive [9] Normen durchziehen den
     Alltag, sie regeln und prägen Verhalten und Erwartungen. Wer aus
     der "Norm" fällt, verliert Akzeptanz und muß mit repressiven
     Reaktionen rechnen - des Staates oder des sozialen Umfeld.

Herrschaft demaskieren!

     Verbunden mit jeder Herrschaft ist ihre Verschleierung.
     Herrschaft kann nur überleben, wenn sie ihre eigene Akzeptanz
     beschafft. Wo sie darauf verzichtet oder die Akzeptanzbeschaffung
     nicht gelingt, verliert die Herrschaft ihre Basis, d.h. die
     Beherrschten wünschen sich nicht nur eine Änderungen, sondern
     fordern sie bzw. setzen sie durch. Als Akzeptanzbeschaffung für
     Herrschaft dienen: Biologismen; Scheinzwänge und
     -gesetzmäßigkeiten; Religionen, Ideologien, Esoterik; Belohnung
     und Abhängigkeit; "There is no alternative", d.h. die Vermittlung
     der Alternativlosigkeit[10]; Integration von Kritik und
     Abweichung: Teile und herrsche.

Diese und andere Formen von Herrschaft zu enttarnen, anzugreifen und,
wenn möglich, Alternativen zu benennen, gehört zum Weg der Befreiung.
Der quadratmeterweise Aufbau von Freiräumen in Alltag und Politik
sowie der Widerstand samt Demaskierung gegenüber Herrschaft fördern
sich gegenseitig und sind zusammen die Motivation, solche
emanzipatorische Praxis auch als dauerhaften Prozeß zu entwickeln.

Zitiert: Herrschaftsdefinitionen anderer...[11]
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Definition: Macht ist...
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o    "die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen
     Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf
     diese Chance beruht" (Max Weber)

o    "Unter Macht ist jede Inanspruchnahme oder Einräumung von
     Hoheitsbefugnissen zu verstehen, durch die die Menschen in
     regierende und regierte Gruppen getrennt werden." (Erich Mühsam)

Annette Schlemm: Wie wirkt gesellschaftliche Herrschafts- und Verwertungslogik?[12]
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Jeder Mensch ist vier Formen des inneren und äußeren Zwangs
unterworfen. Dazu folgendes Zitat:

1.   Das Subjekt hat gesellschaftliche Normen, Regeln und
     Wertorientierungen internalisiert, die es dazu verlassen, auf
     bestimmte Situationen mit sozial geforderten Tätigkeiten zu
     reagieren. Entwickelte Gesellschaften bilden spezielle Subsysteme
     heraus, die diese Internalisierung betreiben (durchaus auch
     partiell unterschiedlicher Normen), z.B. Kirchen, Schulen,
     soziale Bewegungen...

2.   Kommunikation dahingehend, dass freiwilliges Einverständnis bzw.
     Einsicht erzielt und das Subjekt davon überzeugt wird, dass es
     sinnvoll ist, die angeforderte Tätigkeit zu verrichten. Von
     interpersonaler Kommunikation bis zu medial geführten
     gesellschaftlichen Diskursen.

3.   Anordnung, Befehl, Zwang, das Subjekt wird unter Androhung
     irgendwelcher Sanktionen, in letzter Instanz meist gestützt auf
     die Möglichkeit der Gewaltanwendung, dazu gezwungen, die
     angeforderte Tätigkeit zu verrichten. Das zentrale System, das
     wesentlich darauf beruht, ist der Staat.

4.   Tausch bzw. Verkauf und Kauf, das Subjekt verrichtet eine
     gesellschaftlich angeforderte Tätigkeit deswegen, weil es im
     Gegenzug von der Gesellschaft/anderen Subjekten eine andere,
     "gleichwertige", Tätigkeit bzw. ihr Produkt bekommt. Das sich auf
     diesem Modus aufbauende soziale System der Produktion und des
     Austausches von Waren entwickelt sich auf Basis bestimmter
     sozialer Verhältnisse als kapitalistisches und weist besondere
     Dynamik auf und dominiert zunehmend den gesellschaftlichen
     Lebensprozess insgesamt.

Diese verschiedenen Modi überlagern und verflechten sich in der
gesellschaftlichen Realität sehr stark, in den meisten sozialen
Bereiche sind in unterschiedlichem Verhältnis zueinander mehrere oder
alle miteinander kombiniert. So beruht entwickelte Warenwirtschaft
nicht nur auf Tausch, sondern setzt voraus, dass ein Staat das
Eigentumsrecht und Vertragsrecht nötigenfalls mit Gewalt durchsetzt.
Andererseits funktioniert kein bürgerlicher Staat nur mit Zwang,
sondern in Antonio Gramscis Worten durch "Hegemonie, gepanzert mit
Zwang". Zum einen werden von klein auf Normen internalisiert, dass die
Gesetze und die Autorität des Staates zu beachten sind, auch wenn
nicht daneben gleich ein Polizist oder Soldat steht, zum anderen
gesellschaftliche Diskurse vorangetrieben, um Zustimmung für die
konkrete Politik zu mobilisieren. Außerdem ist der Staat in hohem
Umfang auch ökonomisch aktiv, investiert, verteilt um, beschäftigt
massenweise LohnarbeiterInnen, hat Eigentum an Unternehmen usw.

Christoph Spehr: Formen der Herrschaft[13]
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Für einen pragmatischen Überblick, auf den in der Folge zurückzukommen
sein wird, lässt sich folgende Einteilung vornehmen:

o    Die Ausübung oder Androhung direkter, physischer Gewalt - die
     "militärische" Ebene von Herrschaft.

o    Strukturelle Unterordnung, d.h. die Errichtung oder
     Aufrechterhaltung von Regeln und Verteilungen in einer sozialen
     Kooperation, die zu einer systematisch unterschiedlichen
     Anhäufung von Macht führen - die "ökonomische" Ebene von
     Herrschaft.

o    Diskriminierung, d.h. ausschließende Solidarität einer Gruppe
     gegen den "Rest" - die "soziale" Ebene von Herrschaft.

o    Kontrolle der Öffentlichkeit, d.h. der maßgebliche Einfluss
     darauf, wie in einer Kooperation geredet und gedacht wird, welche
     Interpretationen und Normen die vorherrschenden sind die -
     "institutionelle" Ebene von Herrschaft.

o    Abhängigkeit, d.h. die Ausschaltung von Alternativen für die
     jeweils andere Seite in der Kooperation, so dass diese
     Kooperation für die Gegenseite möglichst alternativlos wird - die
     "existentielle" Ebene von Herrschaft.

Die Trennschärfe dieser Einteilung ist begrenzt. Es geht hauptsächlich
darum, eine Vorstellung zu gewinnen, was in einer Kooperation alles an
Herrschaftsinstrumenten zum Einsatz kommt oder kommen kann; wir
vergessen leicht ganze Ebenen dabei. Die Spannweite der Instrumente,
die auf diesen fünf Ebenen verwendet wird, ist groß. Die --militärisch
ein Ebene, die der direkten Zwangsgewalt, reicht von den Fäusten des
Nachbarsjungen, der uns auf dem Schulhof verprügelt um regelmäßig an
unser Pausenbrot zu kommen, bis zu militärischen High-Tech-Systemen,
mit denen wir fremde Länder überfallen. Strukturelle Unterordnung hat
meistens mit Arbeitsteilung zu tun, aber ebenso mit den "terms of
trade", den Bedingungen zu denen gehandelt wird.

Abhängigkeit kann materiell bewirkt sein, aber auch technisch,
psychologisch oder emotional. Die Instrumente reichen von so modernen
Instrumenten wie der angestrebten gentechnischen Revolution in der
Landwirtschaft bis zu äußerst traditionellen, wie der sozialen
Isolierung der Frau in der patriarchalen Gesellschaft.

Herrschaftsbeziehungen "sprechen" auf allen Ebenen. Es ist wichtig für
Herrschaft, die einzelnen Ebenen ineinander "übersetzen" zu können -
aus militärischer Überlegenheit ökonomische Unterordnung zu machen und
umgekehrt, Abhängigkeit in Kontrolle der Öffentlichkeit umsetzen zu
können und umgekehrt, usw. Wir unterschätzen meist, wie komplex und
weitreichend die Instrumente sind, die in ganz konkreten Beziehungen
zum Einsatz kommen oder "im Hintergrund" genutzt werden. Als einzelne
Person wenden wir meist keine unmittelbare Gewalt gegen unsere
Putzfrau an, um sie zur Arbeit zu zwingen. Dass sie aus Bosnien
geflüchtet ist, vor militärischer Gewalt, oder aus Osteuropa
eingewandert, auf der Flucht vor den Folgen struktureller
Unterordnung, spielt für unser Verhältnis jedoch eine große Rolle; es
beeinflusst die Alternativen, die sie hat. Wir diskriminieren die
Gruppe unserer eingewanderten Putzfrauen gemeinsam, indem wir z.B.
ihre Ausbildung und Abschlüsse nicht anerkennen und dadurch ihre
Arbeit verbilligen bzw. auf den Putzsektor hin dirigieren. Dass
Putzfrauen schlecht organisiert sind und dadurch wenig Kontrolle der
Öffentlichkeit haben, nehmen wir dankend als Vorteil an.

Gruppe Gegenbilder: Innere und äußere Zwänge[14]
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Jeder Mensch ist anders! Die Unterschiede zwischen den Menschen sind
völlig verschiedener Art. Sie sind äußerlich, oft spontan und
wechselhaft, haben mit unterschiedlichem Wissen oder unterschiedlicher
Erfahrung Kraft, Ausdauer oder Neigung zu tun. Kein Mensch ist gleich,
jeder hat seinen eigenen Standort auf der Welt mit seiner
unverwechselbaren Perspektive. Alle Menschen sind aber auch gleich,
denn alle Menschen haben die Möglichkeit, in der Gesellschaft ein
angenehmes Leben zu führen - grundsätzlich. Praktisch ist es aber
nicht so.

Praktisch gibt zwischen den Menschen Abstufungen,
Herrschaftsverhältnisse und Machtgefälle. Sie beruhen auf realen
Abhängigkeiten, unterschiedlichen Verfügungsmöglichkeiten über die
eigenen Lebensbedingungen und nicht selten auf offenem Zwang (Gewalt,
Unterdrückung, Angst usw.). Oft treten zu diesen äußeren Bedingungen
noch verinnerlichte soziale Konstruktionen (Rollen etc.) hinzu. Diese
haben sich als verinnerlichte Zwänge teilweise soweit verselbständigt,
daß sie keines äußeren Zwanges mehr bedürfen, um zu wirken.
Verinnerlichte Zwänge werden auch zwischen den Menschen weitergegeben,
die damit die realen Herrschaftsverhältnisse im Alltag verfestigen und
reproduzieren.

Äußere Zwänge
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Unterschiede zwischen Menschen können durch äußere Zwänge, d.h.
formalen, institutionalisierten Herrschaftsverhältnissen oder
Handlungsmöglichkeiten beruhen. Wer mehr Geld hat, eine Waffe besitzt,
nicht eingesperrt ist (um nur einige Beispiele zu nennen), hat
definitiv mehr Handlungsmöglichkeiten als Menschen, auf die solches
nicht zutrifft. Solche institutionalisierten Herrschaftsverhältnisse
werden nicht vom Individuum selbst geschaffen, sondern sind Ergebnisse
gesellschaftlicher Rahmenbedingungen. Sie gelten mehr oder weniger
universell, d.h. Reich- oder Bewaffnetsein führt überall zu den
gleichen Machtvorteilen.

Die Unterschiede zwischen den Menschen werden in der Realität noch
dadurch gesteigert, daß sich mehrere Vor- bzw. Nachteile vereinigen
können. So verfügen viele reiche Menschen bzw. die Menschen in reichen
Ländern nicht nur über Geld, sondern auch über Waffen, zumindest mehr
oder überlegene Waffen, über das Eigentum am Boden, die Kontrolle von
Handelswegen, Energieversorgung, Lebensmittelproduktion usw. Gleiches
gilt auch im kleinen Maßstab - immer wieder haben einige Menschen
Geld, Grundeigentum, die Verfügung über weitere Ressourcen, während
anderen das verwehrt bleibt. Selbst in den reichen Industrienationen
gibt es viele Menschen, denen grundlegend oder weitgehend alle
Ressourcen und Möglichkeiten vorenthalten werden, z.B. Kinder,
Obdachlose, Nichtmündige, viele Frauen, Behinderte, AusländerInnen und
alle, die aufgrund sozialer Vorgaben nicht über die gleichen
Möglichkeiten und den Zugang zu Ressourcen verfügen.

Verinnerlichte Zwänge und Erwartungshaltungen
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Tradierte Vorstellungen von Wertigkeiten, Erziehungsmuster zu immer
wiederkehrenden gesellschaftlichen Rollen und Inhalte von Bildung,
Medienbeeinflussung usw. führen zu nicht willkürlichen, sondern
typischen und sich immer wieder reproduzierenden Mustern. Für diese
sozialen Konstruktionen gibt es sehr offensichtliche Beispiele. So
beruht das Gefälle zwischen Männer und Frauen bei Lohnhöhen, bei der
Präsenz in Führungspositionen oder beim Zugriff auf Geld, Eigentum
usw. auf der immer wieder erneuerten sozialen Konstruktionen von
Wertigkeitsunterschieden. Zur Rechtfertigung solcher sozial
konstruierten Wertigkeitsunterschiede wird die Verschiedenheit von
Menschen herangezogen: seien es geschlechtliche, biologische,
ethnische Unterschiede oder unterschiedliche Neigungen,
Verhaltensweisen oder sonstige Merkmale, die sich zur Zuschreibung von
"Eigenschaften" eignen. Diese realen Verschiedenheiten werden zu
homogenen "Eigenschaften" von Gruppen von Menschen umgedeutet, um sie
als Rechtfertigung zur diskriminierenden Behandlung dieser Gruppen zu
verwenden.

Rollenbildung und Wertigkeiten zwischen Männern und Frauen entstehen
nicht durch das biologische Geschlecht, sondern aufgrund der
allgegenwärtigen, von (fast) allen Menschen ständig reproduzierten
Bilder und Erwartungshaltungen gegenüber den anderen Menschen und sich
selbst, z.B. in der elterlichen Erziehung und Beeinflussung, Schule,
Arbeitswelt, Medien usw. "Mannsein" oder "Frausein" als
gesellschaftliche Rolle, als soziales Geschlecht, ist folglich eine
Zuweisung der Person zu diesem Geschlecht durch gesellschaftliche
Bedingungen. Dieser Prozeß reproduziert sich wegen der subjektiven
Funktionalität, die diese Rollen für die Menschen im täglichen
Überlebenskampf und für langfristige Perspektiven zumindest aktuell
haben, ständig selbst, so daß die Rollen von Generation zu Generation
weitervermittelt werden und in fast allen Lebensfeldern vorkommen.
Dadurch wirken sie so, also wären sie ein Naturgesetz. Den betroffenen
Menschen kommt ihre gesellschaftliche Rolle wie eine Bestimmung vor,
der sie nicht entgehen können und die sie an nachfolgende Generationen
weitergeben.

Ähnlich wie diese soziale Konstruktion zwischen Männern und Frauen
finden sich solche zwischen Alten und Jungen, sogenannten Behinderten
und Nicht-Behinderten, In- und AusländerInnen, Menschen mit und ohne
Ausbildung usw. Immer werden Wertigkeiten abgeleitet, die zu
unterschiedlichen Möglichkeiten der eigenen Entfaltung und zu
Herrschaftsverhältnissen führen.

Die äußeren und verinnerlichten Herrschaftsverhältnisse, sozialen
Rollenzuschreibungen und die wie ein unabwendbares Schicksal
erscheinenden Beeinflussungen der individuellen Lebens- und
Gesellschaftsentwürfe finden sich zwischen einzelnen Menschen,
zwischen Gruppen und auch global z.B. zur Zeit zwischen Nationen oder
Staatenbünden (wie der EU). Eine festgezurrte Rollenverteilung gibt es
zwischen einzelnen Menschen ebenso wie zwischen Regionen, Stadt und
Land, armen und reichen Ländern. Die inneren Zwänge werden dabei oft
durch biologistische Setzungen pseudowissenschaftlich gerechtfertigt.
Sei es die "natürliche Neigung der Mutter zum Kind" oder die
"gefühls-/körperbetonten Schwarzen" - auch in der neuesten Zeit
kursieren viele solcher Behauptungen, bei denen immer aus biologischen
Tatsachen oder Behauptungen Ableitungen auf gesellschaftliche Rollen
und Wertigkeiten erfolgen. Biologische Unterschiede zwischen Menschen
sind vorhanden, aber nicht geeignet, daraus soziale Rollen zu
erklären. Dennoch geschieht es, wobei die biologischen Unterschiede
als Hilfsargument dienen, die Herrschaftsinteressen und
kapitalistische Verwertungslogik zu verschleiern. Menschen lassen sich
durch die Macht- und Profitorientierung sowie ihr eigenes Bemühen,
durch Zuordnung zu vorgegebenen und erwarteten Lebensläufen ihr
eigenes Leben scheinbar besser gestalten zu können, bestimmten Rollen
zuordnen. Die biologischen Begründungen dienen der Verschleierung
dieser tatsächlichen Interessen.

Schöner leben: Herrschaft ausmachen! Blick ins Herz der Finsternis[15]
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Sauron, der Herr der Ringe, verfügt über Orks und Schwarze Reiter,
Frau Meier über ihre Putzfrau und der Chef von Frau Meier über ihre -
durch Mutterschaftspause abgewertete und damit günstigere -
Arbeitskraft. Gesellschaftliche Strukturen, Regeln und Rollen sorgen
dafür, dass Frau Meier auch wirklich arbeiten gehen muss, sie kann
sich der Verfügung nur schwer entziehen. Der Zugriff der ChefInnen auf
"ihre" Frau Meiers ist somit über die persönliche Beziehung
hinausgehend abgesichert - und genau das macht Herrschaft aus. Eine
Brille, mit deren Hilfe wir die verschiedenen Ebenen von Herrschaft
aufdecken können, sollte einen Wechsel des Blickwinkels ermöglichen.

Die Vogelperspektive: Gesellschaftliche Erscheinungsformen und Strukturen
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Viele (politische) Theorien und Strategien erschöpfen sich darin,
verschiedene Herrschaftsverhältnisse nur auf der Ebene ihrer
gesellschaftlichen Erscheinungsform zu erfassen. Das aktuell
prominenteste Beispiel sind hier große Teile der
GlobalisierungskritikerInnen, die den Neoliberalismus nicht als
derzeitige Erscheinungsform des Kapitalismus, sondern als alleinige
Ursache von Armut und ungerechter Verteilung bekämpfen. Ein anderes
Beispiel ist die Beschränkung der Problematisierung des
Geschlechterverhältnisses auf prozentuale Frauenanteile in bestimmten
gesellschaftlichen Positionen und die Quotierung als (alleinige)
politische Strategie.

Andere Ansätze gehen einen Schritt weiter und thematisieren nicht nur
die Erscheinungsebene von Herrschaftsverhältnissen, sondern auch die
zugrundliegenden gesellschaftlichen Strukturen. Kritisiert werden dann
z.B. hierarchische Klassenstrukturen, die gesellschaftliche
Organisation des Marktes (in ihrer neoliberalen Verfasstheit) und
damit einhergehende Konkurrenzverhältnisse. Übertragen auf die
Geschlechterproblematik würde das heißen, die Kritik am Patriarchat,
an der Hierarchisierung der Geschlechter, an geschlechtsspezifischer
Arbeitsteilung etc. zu formulieren. Solche Ansätze, die den Blick auf
die gesellschaftlichen Strukturen und deren Erscheinungsformen
richten, sind notwendig, um Herrschaft in ihrem gesellschaftlichen
Kontext zu erfassen, aber nicht hinreichend, um sie radikal
kritisieren und grundsätzlich verändern zu können.

Der Röntgenblick: Was liegt dem zugrunde?
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Wichtig erscheint es uns zusätzlich, hinter diese gesellschaftlichen
Erscheinungsformen von Herrschaftsverhältnissen sowie ihre
strukturelle Verankerung zu gucken: Herrschaft stützt sich auf
grundlegende Prinzipien, die jedeR als unabänderlich und normal, als
quasi-natürliche Gesetzmäßigkeit, empfindet. Diese Prinzipien sind
materiell nicht erfahrbar und sie werden nicht unmittelbar erlebt.
Dennoch sind sie von den Individuen so verinnerlicht, dass sie für
diese die Wirklichkeit darstellen und somit bedeutsam für ihr Denken,
Entscheiden und Handeln sind.

Dabei liegen Herrschaftsverhältnissen verschiedene strukturierende
Prinzipien zugrunde. Für jede jeweils aktuelle Ausgestaltung des
Kapitalismus ist beispielsweise der Zwang wesentlich, alles und jedeN
als Wert zu erfassen und vorhandene Werte im Produktionsprozess zu
vermehren - zu verwerten im wahrsten Sinne des Wortes. Dass aber
abstrakte Dinge (z.B. Arbeit) genauso wie konkrete Dinge (z.B.
Waschmaschinen) überhaupt einen Wert haben, erscheint uns als
zweifellose "Wahrheit".

Genauso selbstverständlich ist uns die abendliche Wahl zwischen dem
Frauen- und dem Männerklo in der Kneipe: Grundlage von Patriarchat und
Sexismus ist die Konstruktion und der damit einhergehende Zwang zur
Zweigeschlechtlichkeit. Das bedeutet zum einen, dass wir es als
vollkommen normal empfinden, dass Menschen anhand des Geschlechts in
zwei gesellschaftliche Gruppen eingeteilt werden und nicht anhand des
Unterscheidungsmerkmals "angewachsene Ohrläppchen/nicht angewachsene
Ohrläppchen". Der Zwang zur Zweigeschlechtlichkeit bedeutet zum
anderen, sich ständig zu einem von zwei Geschlechtern eindeutig
zuordnen zu müssen, sei es bei der Klowahl, dem Ankreuzen von
offiziellen Formularen oder der ersten Frage an die frischgebackenen
Eltern: "Was ist es denn?" - mit all den Vorstellungen von
Rollenmustern, Chancen und Möglichkeiten, die an dieser Frage mit
dranhängen. Ohne das Prinzip der Zweigeschlechtlichkeit sind
patriarchale Verhältnisse schlicht nicht vorstellbar, da nur in ein
hierarchisches Verhältnis zueinander gebracht werden kann, was vorher
voneinander unterschieden wurde.

Der Alltagsblick: Der 5-Euro-Putzjob - Wie wir und andere Herrschaft erfahren
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Schließlich kann Herrschaft als persönliche Erfahrung beschrieben
werden: Die beschriebenen grundlegenden Prinzipien, ihre Verankerung
in gesellschaftlichen Strukturen und die Erscheinungsformen von
Herrschaftsverhältnissen werden als konkrete Einschränkung, als
alltägliche Fremdbestimmung erlebt. Die polnische Putzfrau kann ohne
EU-Pass hier nicht einfach so arbeiten und "muss froh mit dem sein,
was sie bekommt". Für Lieselottes transsexuelle Tochter Martin wird
der sonst so alltägliche Gang zur Toilette in öffentlichen Räumen
ebenso zur großen Qual wie die taxierenden Blicke all derer, die
endlich wissen wollen, "was" sie denn nun ist. MigrantInnen dürfen
sich aufgrund der Residenzpflicht nicht aus ihrem Landkreis bewegen,
Sozialhilfekürzungen entscheiden eben darüber, ob die Tochter mit auf
die Klassenfahrt fährt oder man einem Freund mal einen Kaffee ausgeben
kann.

Jeder dieser drei Blickwinkel auf Herrschaftsverhältnisse - d.h. jede
der drei Seiten der Medaille - ist unserer Meinung nach notwendig und
relevant, um Herrschaft erkennen, benennen und bekämpfen zu können.
Von vielen Gruppen und Menschen wird jedoch nur ein einzelner
Blickwinkel gewählt. Humanitäre Organisationen oder christliche
Initiativen konzentrieren sich in der Regel vollkommen auf den
Alltagsblickwinkel: In diesem Bereich tun sie durchaus sinnvolle
Dinge, ohne jedoch die zugrundeliegenden Missstände zu thematisieren
oder eine über das Individuum hinausgehende Veränderung anzustreben.
In anderen Kreisen ist es dagegen üblich, allein die dahinterliegenden
Prinzipien zu betonen. Hier werden dann schnell Proteste gegen die
ungerechte Verteilung gesellschaftlichen Reichtums als Lappalie bzw.
konterrevolutionärer Akt abgetan. Eine Politik, die persönliche
Erfahrungen und gesellschaftliche Erscheinungsformen derart gegenüber
den zugrundeliegenden Prinzipien unterbewertet, ist unserer Ansicht
nach elitär. Genauer gesagt, den Widerstand gegen Sozialhilfekürzungen
als Peanuts abzutun, muss mensch sich leisten können.

Die Spezialfilter oder Tragende Säulen der Dickichtkonstruktion: Wie funktioniert Herrschaft?
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Herrschaftsverhältnisse können aus verschiedenen Blickwinkeln
betrachtet werden. Ansatzpunkte für politische Strategien und konkrete
Aktionen lassen sich jedoch besser formulieren, wenn zusätzlich
berücksichtigt wird, wie sich Herrschaft konkret umsetzt und
vermittelt, d.h. also, welche widerspenstigen Mechanismen dazu
beitragen, dass Selbstbestimmung fast nirgendwo zu finden ist. Um eine
Vorstellung davon zu bekommen, wie Herrschaft funktioniert und wie sie
sich scheinbar selbst stabilisiert, lohnt es sich, die analytische
Brille mit verschiedenen Spezialfiltern auszustatten. Mit ihrer Hilfe
sollen einige zentrale, in der Welt sonst kaum entwirr- und
unterscheidbare Mechanismen von Herrschaft einmal einzeln betrachtet
werden können.

Herrschaft äußert sich zum einen als direkte Gewalt mit dem Ziel der
Aufrechterhaltung geltender, d.h. "herrschender" Spielregeln. Während
direkte Gewalt in Form von physischem Zwang auf zwischenmenschlicher
Ebene durchaus alltäglich ist, wird sie auf staatlicher Ebene
zunehmend ergänzt durch polizeiliche, korrigierende, sogenannte
"saubere" Gewalt. Bestes Beispiel sind die als "humanitäre
Interventionen" bezeichneten weltweiten kriegerischen Operationen der
Nato.

Auf den ersten Blick weniger sicht- und erfahrbar als direkte Gewalt,
aber dadurch nicht weniger fremdbestimmend, ist strukturelle Gewalt.
Zu ihr zählt beispielsweise jede Form sozialer Ungleichheit und - als
spezifische Form struktureller in Verbindung mit direkter Gewalt -
existenzielle Abhängigkeit. Letztere besteht darin, dass Individuen
oder Gruppen soziale Kooperationen jeglicher Art nicht verlassen
können, wenn sie es wollen. Anders als bei der direkten Gewalt, wird
nicht direkt eingegriffen: Es werden lediglich alle Alternativen zum
bestehenden Leben, Arbeitsverhältnis etc. nahezu unmöglich gemacht.

Für die Ausübung struktureller Gewalt spielt der Staat durch
Einschränkung von Verfügungsmöglichkeiten, aber auch durch den Schutz
von Privateigentum und die Garantie von Rechtssicherheit eine zentrale
Rolle. Als institutionalisierter Garant der herrschenden Ordnung ist
er deshalb für uns ein wichtiges Angriffsziel.

Indem sich Gruppen als "geschlossen" definieren und bestimmen, wer
über welche Eigenschaften dazugehören darf und wer nicht, funktioniert
Herrschaft im Sinne von Diskriminierung, von Ausschluss. Diskriminiert
wird an der Arbeitsstelle, in der Familie, im Bildungssystem, durch
Gesetze, also auf verschiedenste Art und Weise auf der Basis von
tatsächlichen oder konstruierten Merkmalen. Beispiele für solche
Merkmale in gesellschaftlicher Größenordnung sind Geschlecht,
Ethnizität und Klasse. Diskriminiert wird aber auch durch bestimmte
outfits und Verhaltensweisen oder durch Normen, wie das herrschende
bürgerliche Kleinfamilienideal.

Tagtägliche Zeitungs- und Fernsehmeldungen machen eines klar: Die
Kontrolle der Öffentlichkeit ist eines der zentralen und wirksamsten
Herrschaftsinstrumente; Geld und Macht (durch Geld) sind die zentralen
Kriterien, die über ihre Verfügung entscheiden. Debatten und Analysen,
die die herrschende Weltsicht als alleinige Wahrheit setzen und die
daher von allen verinnerlicht, nachgebetet und schließlich aktiv
vorangetrieben werden, erschweren emanzipatorischen Widerstand.
Unbequeme oder abweichende Meinungen werden zunehmend durch die
herrschende Öffentlichkeit vereinnahmt, die sich damit selbst als
vielfältig und kritisch darstellen kann und nebenbei widerständige
Positionen erstickt und unhörbar macht. Aktuell zeigt sich dies am
Beispiel des World Economic Forum (WEF): Man habe die sogenannten
GlobalisierungskritikerInnen erhört und "die Probleme Afrikas"
erkannt, so dass die leidigen Proteste also hinfällig seien. Die
angepriesene Lösung des WEF besteht nun aber gerade darin, die
aggressive Ausweitung des Freihandels voranzutreiben. Die davon
abweichenden Konzepte Hunderttausender kritischer Menschen sind somit
durch die medienwirksame Zwangsumarmung nicht mehr sichtbar.

Herrschaftsverhältnisse als komplexe gesellschaftliche Prozesse, ihre
Umsetzungsweisen und Mechanismen werden fortlaufend dadurch gesichert,
dass sie von allen Individuen verinnerlicht und im alltäglichen
Handeln ständig stabilisiert werden - dies ist jedoch im Fall direkter
Gewalt auf Seiten der Opfer sicherlich weniger relevant. Herrschaft
ist im Gegensatz zu den alten Geschichten in ihren unterschiedlichen
Ausprägungen also nicht in einfachen Entgegensetzungen von
Herrschenden und Beherrschten zu erfassen - obwohl es diese Rollen mit
durchaus wechselnder Besetzung in konkreten gesellschaftlichen
Situationen gibt.

Die zwanghafte Einbindung aller Individuen in jegliche herrschende
Ordnung muss abgewickelt werden!

Oekonux: Freies Wissen, Freie Güter... [16]
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Produktionsweise Freier Software
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Die Art und Weise, wie Freie Software entsteht, ist ein weiteres
wichtiges Charakteristikum Freier Software. Tatsächlich unterscheidet
sich die Produktionsweise Freier Software in mancherlei Hinsicht von
der anderer Produkte.

Geldfrei
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In der Regel wird Freie Software ohne finanzielle Gegenleistung
erstellt. Da aufgrund der Rechte, die Freie Software gewährt, die
Quellen mitgeliefert werden müssen, ist ein Verkauf Freier Software
zumindest pro Stück auch unpraktikabel.

Natürlich können auch EntwicklerInnen Freier Software nicht von Luft
und Bytes leben, sondern müssen eine materielle Grundlage in der
Geldgesellschaft haben. In vielen Fällen sind es z.B. StudentInnen,
die neben ihrem Studium Freie Software schreiben, aber auch ganz
normale ArbeitnehmerInnen verbringen ihre Freizeit damit, Freie
Software zu produzieren, wie andere Briefmarken sammeln oder ihren
Garten pflegen.

Auf freiwilliger Grundlage
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Eine finanzielle Entschädigung ist auch gar nicht notwendig, da Freie
Software ohnehin auf freiwilliger Grundlage entsteht. Die
EntwicklerInnen werden weder gezwungen noch von außen angereizt, das
zu tun was sie tun, sondern sie haben eine innere Motivation für ihr
Handeln.

o    Notwendigkeit konkreter Problemlösungen: Ein wichtiges Motiv für
     die Anstrengung, die das Schreiben Freier Software ja auch
     bedeutet, ist der Wunsch, konkrete Lösungen für konkrete Probleme
     zu haben. Viele Freie-Software-Projekte entstehen daraus, daß
     einE EinzelneR ein bestimmtes Problem hat, sich eine Lösung dafür
     bastelt, und diese Lösung anschließend der Welt zur Verfügung
     stellt. Andere mit dem gleichen Problem benutzen und verbessern
     diese Lösung dann und aus kleinen Anfängen bilden sich in
     teilweise atemberaubendem Tempo Großprojekte, die kommerzielle
     Entwicklungen oft genug in den Schatten stellen.

o    Selbstentfaltung der EntwicklerInnen: Das wichtigste Motiv für
     das Schreiben Freier Software dürfte schlicht und ergreifend der
     Spaß sein, den Programmieren machen kann[17]. Die EntwicklerInnen
     üben beim Programmieren ein kreatives Potential [18] aus, das ein
     erheblicher Teil ihrer individuellen Selbstentfaltung ist. Diese
     Selbstentfaltung ist den EntwicklerInnen wichtiger als das Geld,
     das sie mit ähnlichen, aber fremdbestimmten Tätigkeiten in der
     gleichen Zeit verdienen könnten.

Vielfältig selbstorganisiert in kleinen, unabhängigen Gruppen
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In der Praxis bilden sich (in der Regel) kleine EntwicklerInnen-Teams,
die ein bestimmtes Freie-Software-Projekt erstellen, pflegen und
weiterentwickeln. Wie diese Teams konkret organisiert sind, ist sehr
unterschiedlich. In manchen Teams sind bestimmte Rollen wie die
Maintainerschaft[19] auf eine Person festgelegt, in manchen werden sie
kollektiv übernommen, in wieder anderen rotiert diese Aufgabe. In
jedem Fall sucht sich jedes einzelne Projekt frei und selbstbestimmt
die Form, die am besten zu ihm und seinen je konkreten Bedingungen
paßt.

Die einzelnen Projekte, die alle zusammen eine mittlerweile riesige
Menge an Freier Software herstellen, sind in der Regel untereinander
höchstens lose verbunden. Viele Projekte haben ihre eigene Web-Site,
auf der die erstellte Software aktuell zu beziehen ist und wo Kontakt
zu den EntwicklerInnen aufgenommen werden kann. [...]

Qualität entsteht durch Abwesenheit von Entfremdung
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Es gibt aber noch einen fundamentaleren Grund, warum Freie Software
gegen kommerzielle Einflüsse immun ist: Die Qualität, die in Freier
Software an der Tagesordnung ist, kann offensichtlich nur unter nicht
entfremdeten Bedingungen entstehen. Da wo Menschen Software schreiben,
weil es Teil ihrer Selbstentfaltung ist, ist diese
Entwicklungstätigkeit Teil des Lebens selbst und nicht auf einen
sekundären Zweck wie das Geldverdienen ausgerichtet.

Lohnarbeit widerspricht Selbstentfaltung
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Diese Grundlage wird tendenziell zerstört, wenn Freie Software unter
Lohnarbeitsbedingungen hergestellt wird. Die kapitalistische
Produktionsweise beruht ja gerade auf dem Paradigma, daß der Markt,
mithin also dem Individuum und seiner Selbstentfaltung äußerliche
Größen, die Produktion bestimmen. Im Lohnarbeitsverhältnis schlägt
sich das darin nieder, daß Chefs bestimmen, was ihre Untergebenen zu
tun haben [20]. Für die UnternehmerInnen bedeutet das, daß sie die
Produktion auf den Markt ausrichten müssen.

Fazit: Freie Software kann nur geldfrei entstehen

Damit ist die individuelle Selbstentfaltung als fundamentale Grundlage
der Entwicklung Freier Software unter Bedingungen der Lohnarbeit aber
nicht mehr gegeben[21] und damit Freie Software letztendlich nicht in
den kapitalistischen Markt reintegrierbar. [...]



Freie Software ist keine Ware
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Auch wenn Distributionen Freier Software verkauft werden, so ist Freie
Software jedoch keine Ware und unterscheidet sich in einigen Aspekte
von diesen.

Tauschfrei
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Freie Software ist prinzipiell ohne einen Tauschvorgang erhältlich.
Ich muß also nichts geben, um ein Stück Freie Software zu
bekommen[22]. Tatsächlich dürften die allermeisten NutzerInnen Freier
Software nie einen Beitrag zu den Produkten leisten, die sie benutzen.

Im Überfluß vorhanden
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Im Gegensatz zu Waren, die eigentlich erst wegen ihrer Knappheit[23]
zu Waren gemacht werden können, ist Freie Software im Überfluß
vorhanden. Wer ein Stück Freie Software braucht, kann es sich einfach
nehmen. Mittlerweile gibt es auch schon für sehr viele Anwendungen
gute bis sehr gute Freie Software, so daß die meisten
Computer-NutzerInnen heute weitgehend, wenn nicht sogar vollständig,
mit Freier Software arbeiten können.

Offenliegende Quellen machen Geheimnisse unmöglich
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Da bei Freier Software die Quellen offenliegen, sind
Betriebsgeheimnisse, ohne die kommerzielle Firmen nicht auskommen,
nicht möglich. Jede Technik, die in einem Stück Freier Software
verwendet wird, kann - und soll! - ja ganz explizit von anderen auch
als Idee genutzt werden.

Kooperation statt Konkurrenz
----------------------------

Solche Geheimnisse sind aber auch gar nicht erwünscht, da
EntwicklerInnen Freier Software an einem gemeinsamen Ziel arbeiten:
Der Erstellung brauchbarer und guter Software. Zwar gibt es zuweilen
Meinungsverschiedenheiten, was brauchbar und gut ist und wie der beste
Weg zu einem brauchbaren und guten Produkt aussieht. Die Entscheidung
einer solchen Frage ist aber nicht - wie so oft in konkurrenzbasierten
Systemen wie dem Markt - eine Überlebensfrage für einen der
Konkurrenten.

Tatsächlich gibt es in der Freien Software eher selten eine große
Auswahl an Produkten für ein bestimmtes Problem. Oft sind aber die
existierenden Produkte so gut, daß gar kein Bedarf nach Konkurrenz
besteht [24]. Allerdings ist Freie Software häufig in höchstem Maße
konfigurier- und damit weitestgehend an individuelle Vorstellungen
anpaßbar.

Fazit: Freie Software ist so wertlos wie die Luft zum Atmen

Freie Software ist also ein Produkt, daß zwar nützlich ist, aber
keinen Tauschwert hat. Wegen der Grundrechte, die Freie Software allen
NutzerInnen einräumt, kann sie auch nachträglich keinen Wert bekommen.
Ihrem Nutzen tut das aber keinen Abbruch. [...]

Die Utopie
----------

Nun ist natürlich heute nicht klar, wie eine voll entwickelte
GPL-Gesellschaft aussehen wird und es gibt hier auch grundsätzliche
Schwierigkeiten [25]. Es kann allerdings auf der bereits vorhandenen
Grundlage erörtert werden, auf welchen Grundlagen eine solche
Gesellschaft beruhen müßte.

Produktionsmittel ermöglichen Selbstentfaltung
----------------------------------------------

Heutige Produktionsmittel werden in der Regel von Menschen genutzt,
die durch ihre Arbeit in erster Linie ihr Geldinteresse befriedigen,
für die der Inhalt ihrer Arbeit also eher zweitrangig ist.

Zukünftige Produktionsmittel müssen dagegen Selbstentfaltung auf
breiter Basis ermöglichen. Es muß Spaß machen, an diesen
Produktionsmitteln tätig zu sein. Die Kreativität der Menschen muß
durch sinnvolle Herausforderungen angesprochen werden. Die gesamte
Produktionsumgebung muß nach menschlichen Maßstäben[26] geschnitten
werden.

Nützliche Tätigkeiten sind Selbstentfaltung
-------------------------------------------

Die Tätigkeit, die an solchen Produktionsmitteln stattfindet, ist
gleichzeitig beides: Selbstentfaltung und nützliche Tätigkeit. Das,
was gesellschaftlich notwendig ist, muß nicht mehr mit Hilfe eines
strukturellen Zwangs wie dem des Geldverdienens den Menschen
abgerungen werden, sondern entsteht als nützlicher Nebeneffekt dessen,
was die Leute als Ausleben ihrer individuellen Freiheit tun wollen.

Informationen und Güter stehen Frei zur Verfügung
-------------------------------------------------

Informationen und Güter stehen allen Frei zur Verfügung. Bedürfnisse
werden gedeckt, indem Menschen sich das aus dem gesellschaftlichen
Reichtum nehmen, was sie brauchen.

Überwindung der Arbeitsgesellschaft
-----------------------------------

Insgesamt ist mit einer Überwindung der auf abstrakter Arbeit
beruhenden gesellschaftlichen Formation zu rechnen.

Keine Arbeit, keine Waren

     Wenn Tätigkeiten nicht bezahlt werden, sondern die individuelle
     Selbstentfaltung die Motivation für eine Tätigkeit darstellt,
     dann gibt es keine Arbeit im herkömmlichen Sinne mehr.
     Genausowenig gibt es Waren im herkömmlichen Sinne, da nicht für
     einen abstrakten Markt produziert wird, sondern aus konkreten,
     menschenbezogenen Gründen.

Kein Tausch, kein Geld

     Wenn weder Arbeit noch Waren sinnvoll sind, wenn die Knappheit
     überwunden ist, dann ist Tausch nicht mehr die notwendige
     Grundlage der Vergesellschaftung und Geld damit obsolet.

Keine Entfremdung

     Den Entfremdungsphänomenen, die in Arbeitsgesellschaften
     notwendig auftreten, ist damit letztendlich die Grundlage
     entzogen. Produktive Tätigkeiten werden aus je konkreten Gründen
     ausgeführt und folglich kann weder der Zwang zum Geldverdienen
     noch der zur Profitmaximierung noch länger die oberste
     Handlungsmaxime sein.

Damit ist es möglich, gesellschaftlich nützliche Tätigkeit an sich und
ohne den Umweg über ihre Verwertung zu würdigen. Gleichzeitig würde
Raum geschaffen, daß zu tun, was nötig ist und nicht das tun zu
müssen, was Vermarktungsdruck diktiert.

Wichtigste Produktivkraft ist die menschliche Selbstentfaltung
--------------------------------------------------------------

Die wichtigste Produktivkraft in einer solchen GPL-Gesellschaft ist
die menschliche Selbstentfaltung geworden. Die Entfaltung dieser
Produktivkraft beruht zwar auf den Produktivkräften der agrarischen
und industriellen Phase, wird aber dominierend sein und somit über
beide hinausgehen.

Fazit: Freiheit des Einzelnen wird zur Bedingung der Freiheit aller

Somit wird die Freiheit des Einzelnen, die individuelle
Selbstentfaltung in Verbindung mit der selbstorganisierten, globalen
Kooperation, im Wortsinne zur Voraussetzung für die Freiheit der
gesamten Gesellschaft.

Freie Informationsgüter
-----------------------

Computerprogramme sind natürlich nur eine, wenn auch heute sehr
wichtige, Sorte von Informationsgütern. Es gibt aber zahlreiche andere
Informationsgüter, die zum guten Teil auch vernünftig in digitale Form
gebracht werden können. Damit unterliegen diese Informationsgüter
prinzipiell den gleichen Bedingungen wie Software und eine ähnliche
Entwicklung wie bei der Freien Software ist bei diesen Gütern heute,
zumindest von den technischen Voraussetzungen her, vorstellbar.

Bekannte
--------

Tatsächlich ist die Idee, Information Frei fließen zu lassen, nicht
wirklich neu [27]. Auf einigen Gebieten ist der Freie Informationsfluß
üblich oder auch geradezu selbstverständlich.

Wissenschaft?

     In der Wissenschaft ist der Freie Fluß von Informationen immer
     eine wichtige Grundlage gewesen. Schon in frühsten Zeiten haben
     WissenschaftlerInnen ihre Erkenntnisse global weitergegeben und
     damit den Fortschritt der Menschheit auf allen Gebieten
     vorangetrieben.

     Die aktuelle Entwicklung gibt allerdings Anlaß zur Besorgnis,
     denn immer mehr WissenschaftlerInnen beginnen unter dem
     Konkurrenz- und Vermarktungsdruck, dem sie sich ausgesetzt sehen,
     ihre Ergebnisse zu verheimlichen. Es gibt jedoch auch das
     Phänomen, daß wissenschaftliche Ergebnisse zuerst und
     brandaktuell im Web veröffentlicht werden anstatt in den üblichen
     Magazinen.

Freie Kochrezepte

     Kochrezepte sind in vielerlei Hinsicht mit Freier Software
     vergleichbar. JedeR kann ein Rezept nachkochen, das Rezept kann
     studiert und beliebig variiert werden, und sowohl das Grundrezept
     als auch Ableitungen daraus dürfen Frei weitergegeben werden. Die
     individuelle Selbstentfaltung beim Kochen verbindet sich mit der
     selbstorganisierten und internationalen Kooperation in der
     riesigen Community der KöchInnen, in der Kochrezepte Frei
     weitergegeben und weiterentwickelt werden[34]. In Form von
     Kochbüchern gibt es sogar kommerziell vertriebene Distributionen,
     die einem Satz GNU/Linux-CDs von der Idee her sehr nahe kommen.

     Vielleicht wird an diesem Beispiel am augenfälligsten, das Freier
     Informationsfluß ein Segen für die Menschheit als Ganzes ist. Als
     Gedankenexperiment möge mensch sich vorstellen, wie unsere
     Speisepläne wohl aussähen, wenn alle Rezepte proprietär wären...

Neue
----

Inspiriert von der Idee Freier Software entwickeln sich tatsächlich
aber auch bei anderen Informationsgütern Formen, die zu deren
BeFreiung führen.

Freie Literatur

     Auf einigen Web-Sites wird Freie Literatur (z.B. bei der Leselupe
     [http://www.leselupe.de/]) und andere Entwicklung Freier Texte
     (z.B. bei Open Theory [http://www.opentheory.org/]) versucht. In
     der Regel wird dort der Text einer AutorIn dem Review der
     Netzgemeinde überlassen.

Freie Enzyklopädien

     Mehrere Projekte befassen sich mit der Erstellung einer
     Enzyklopädie im Internet (z.B. die Encyclopaedia Aperta
     [http://www.opentheory.org/proj/enzyklopaedie]). Bei diesen
     Enzyklopädien können beispielsweise leicht verschiedene
     Sichtweisen nebeneinander dargestellt werden.
     Peer-Review-Verfahren sichern die Qualität der Beiträge.

Freie Musik

     Musik im Internet [28] ist vor allem durch das Datenformat MP3
     [29] und Napster [http://www.napster.com/] bekannt geworden.
     Allerdings ist der Fluß von Musik durch Napster nicht mit Freier
     Software zu vergleichen, da die Stücke nicht Frei sind, sondern
     restriktiven Copyright-Bedingungen unterliegen. Mit dem durch
     Napster ausgelösten Boom vergleichbar sind eher die Zeiten, in
     denen das Raubkopieren von Software praktisch die einzige
     Möglichkeit war, kostenlos aber illegal an Software zu kommen.

     Im Zuge der Verbreitung des MP3-Formats bilden sich aber auch
     Phänomene, die Freier Software ähnlich sind. So stellen Freie
     KünstlerInnen ihre Werke im Netz der Welt zur Verfügung (z.B. im
     europäischen MP3-Verbund [http://www.mp3eu.net/]). Wir dürfen
     gespannt sein, ob sich die Entwicklung, die wir bei Freier
     Software erlebt haben, in diesem Sektor wiederholt. Vielleicht
     sind in zehn Jahren Freie MusikerInnen[30] so bekannt, wie die
     MusikerInnen, die heute von den großen Plattenfirmen mit
     Millionenbeträgen aufgebaut werden.

Fazit: Die Idee Freier Informationsgüter bekommt Zulauf

An vielen Stellen[31]ist zu beobachten, daß die Idee Freier Software
bei anderen Informationsgütern Nachahmung findet. Die breite
Verfügbarkeit der digitalen Kopie und die Digitalisierung von immer
mehr Informationsgütern treibt dieser Entwicklung ständig voran.



Freie materielle Güter
----------------------

Ein entscheidender Schritt beim Weg in die GPL-Gesellschaft ist die
Übertragung der Prinzipien der Freien Software auf materielle Güter.
Zunächst scheint dies eine unüberwindliche Hürde, da materielle Güter
nicht den Bedingungen der digitalen Kopie unterliegen. Doch auch auf
diesem Sektor gibt es bereits eine Reihe interessanter Entwicklungen.

Konkrete Projekte
-----------------

So gibt es inzwischen mehrere Projekte, die sich mit dem Design
materieller Güter befassen. Sie entwerfen dabei ein Gut, das dann von
kommerziellen Firmen hergestellt werden kann. Der Vorteil für eine
Herstellerfirma liegt darin, daß sie die Kosten für eine
Produktentwicklung nicht selbst aufbringen muß. Überdies profitiert
sie von dem Freien Entwicklungsprozeß, der einen von der Freien
Software bekannten Qualitätsstandard begünstigt.

Freie Elektronik- und Hardware-Projekte

     Verschiedene Projekte befassen sich mit dem Entwurf
     elektronischer Schaltungen (z.B. Open Collector
     [http://opencollector.org/]) oder von Chips (z.B. OpenCores.org
     [http://www.opencores.org/]). Auf dem Sektor des Chip-Designs
     gibt es sogar Entwicklungen, in denen Firmen ihre normalerweise
     streng gehüteten Designs beFreien, um von den Vorteilen Freier
     Entwicklungsprozesse zu profitieren.

Freie CPU

     Seit geraumer Zeit gibt es das F-CPU Projekt
     [http://www.f-cpu.org/], in dem eine Freie CPU [32] entworfen
     wird. Die EntwicklerInnen sind mit ihren Entwürfen schon recht
     weit fortgeschritten.

Freies Auto-Projekt

     Eines der ambitioniertesten Freien Projekte mit dem Ziel eines
     materiellen Guts ist sicher das OSCar Projekt
     [http://www.theoscarproject.org/], das noch ganz am Anfang steht.
     Dort wird versucht, ein Auto nach den Prinzipien Freier Software
     zu entwerfen.

Information ist bereits im Kapitalismus wichtige Voraussetzung materieller Produktion
-------------------------------------------------------------------------------------

Ein wichtiger Trend für die Durchsetzung der GPL-Gesellschaft findet
jedoch bereits mitten im Kapitalismus und vor unser aller Augen statt:
Die ständig steigende Bedeutung von Informationen für die materielle
Produktion selbst. Vermutlich ist hier erst die Spitze des Eisbergs zu
erkennen, denn die Rationalisierungspotentiale, die der
flächendeckende Einsatz des Internet vor allem zwischen den Firmen
noch bietet, sind riesig.

Materielle Produktion wird zum Anhängsel der Informationsproduktion
-------------------------------------------------------------------

Vermutlich bildet Information zumindest in einigen hochautomatisierten
Industriebereichen heute bereits den Dreh- und Angelpunkt, ohne den
materielle Produktion auf dem Stand der Produktivität gar nicht mehr
denkbar wäre. Hier bildet sich schon das Phänomen heraus, daß die
materielle Produktion zunehmend nur noch zum Anhängsel der immer
wichtiger werdenden Produktion von Informationen wird. Ein
vergleichbarer Prozeß hat sich im Übergang von den Agrar- zu den
Industriegesellschaften vollzogen, wo die agrarische Produktion heute
auch nur noch ein Anhängsel der Industrieproduktion ist.

Fazit: Informationsgesellschaft schafft fundamental neue Situation

Die permanente Erhöhung der Produktivität, die in der Spätphase des
Kapitalismus die Geißel der Arbeitslosigkeit zur Folge hat, könnte in
einer neuen gesellschaftlichen Formation endlich zum Segen werden. Die
Freie Software mit ihren Prinzipien jenseits der Verwertung, die das
Wort von der Informationsgesellschaft auf den Begriff bringt, scheint
die lange gesuchte Keimform zu sein, die eine Vergesellschaftung auf
dem Stand der Produktivkraftentwicklung, aber jenseits der Tausch- und
Arbeitsgesellschaft erstmals aufscheinen läßt.

______________________________________________________________________

[1] Diskussion zu diesem Text unter
http://www.opentheory.org/herrschaftsfrei.

[2] Konkrete Utopie meint einen Entwurf zukünftiger Gesellschaft, der
aus aktuellen Bezügen und Wahrnehmungen, Wünschen und Analysen
abgeleitet ist, also als denkbar und machbar angesehen wird. Er ist
also nicht abgehoben, allerdings bleibt die konkrete Utopie auch
visionär, weil es nicht möglich, die genauen Gesellschaftsverhältnisse
unter grundlegend geänderten Rahmenbedingungen genau vorherzusehen,
weil die Änderungen in Wechselwirkung mit dem sozialen Wesen Mensch
stehen - also unabsehbar ist, wie Menschen dann leben, agieren und so
wiederum Gesellschaft gestalten.

[3] Egoismus wird hier als Wille zum besseren Leben mit dem
Bezugspunkt der eigenen Person begriffen. Der Begriff wird auch anders
benutzt, z.B. oft mit dem Unterton des Rücksichtslosen gegenüber
anderen. Das aber ist eine Folge der sozialen Verhältnisse, daß der
Vorteil des Einen in konkurrierenden Gesellschaftsformen immer der
Nachteil des Anderen ist. In der Freien Gesellschaft ist führt der
Egoismus dazu, dass ich mich als besonderer Mensch dann besonders gut
selbst entfalten kann, wenn das die anderen auch können und tun.

[4] Diesen Aspekt stellt Christoph Spehr in seinen Werken in den
Mittelpunkt. In Die Aliens sind unter uns und Gleicher als andere
beschreibt er Freie Kooperation als Beziehungen zwischen Menschen mit
gleichen Kündigungsverlusten, d.h. alle Beteiligten können gleich
leicht oder schwer die Kooperation verlassen. Die Reduzierung auf
diese Rahmenbedingung ist zwar ein verkürztes Verständnis von
herrschaftsfreier Gesellschaft, dennoch trifft und beschreibt Spehr
einen der wesentlichen Grundpfeiler.

[5] Dieses wird auch von Tauschringen ausgeblendet, die zwar die
zusätzliche Ungerechtigkeit des Marktwertes im anonymen Tausch
verringern können, nicht jedoch die unterschiedlichen Möglichkeiten
und Abhängigkeiten zwischen Menschen sowie deren "Tauschwerte".

[6] Siehe dazu den Text von Annette Schlemm unter
http://www.thur.de/philo/wp.htm.

[7] Ein gutes Beispiel ist die freie Software, u.a. Linux. Hier
profitieren alle ProgrammiererInnen und NutzerInnen davon, daß alle
mitmischen können. Viele sind angetrieben davon, ihr eigenes Leben
(hier das Funktionieren ihrer Computer) zu verbessern - und schaffen
Neuerungen, die allen weiterhelfen können.

[8] Zu Ansätzen im Alltag siehe Ideensammlungen unter
http://www.projektwerkstatt.de/von-unten.

[9] "Das war schon immer so", "kannst Du nicht mal...", "denk mal
an...", "es wäre besser für Dich, wenn...", "das gehört sich aber
nicht", "sei mal normal" usw.

[10] Tatsächlich ist es weitgehend gleich, ob Alternativen tatsächlich
nicht vorhanden sind (verhindert sind) oder es nur so scheint. Solange
ein Glaube an die Alternativlosigkeit besteht, kann sich die
bestehende Situation legitimieren und der Protest eingedämmt werden.

[11] Sammlung von Texten und Debatten unter
http://www.projektwerkstatt.de/herrschaft.

[12] Quelle: Annette Schlemm, Mail vom 25.5.2001 in der Debatte um
Oekonux, freie Kooperationen und Freie Menschen in Freien
Vereinbarungen. Siehe auch Annette's Philosophenstübchen unter
http://www.thur.de/philo, Übersicht aller Texte dort unter
http://www.thur.de/philo/asglied.htm.

[13] Aus: Christoph Spehr, 2000: Gleicher als andere

[14] Quelle: Gruppe Gegenbilder, 2000: Freie Menschen in Freien
Vereinbarungen, http://www.opentheory.org/gegenbilder.

[15] Quelle: Schöner leben!, 2002: Herrschaft ausmachen, Rundbrief Nr.
4, Februar 2002, http://www.schoener-leben-goettingen.de. Der
Gesamttext ist als Diskussionsforum unter
http://www.opentheory.org/herrschaft angelegt.

[16] Auszug aus dem Text von Stefan Merten, Freie Software für eine
Freie Gesellschaft Bringen GNU/Linux und Co uns einer neuen
Gesellschaft näher? (http://www.oekonux.de).

[17] Dieser Spaß am Programmieren spiegelt sich übrigens auch in der
kommerziellen Software-Branche wider, in denen Mitarbeiter in hohem
Maße freiwillig Überstunden leisten - aus Termindruck, aber oft genug
auch aus Spaß an der Sache.

[18] Es dürfte nur wenige Gebiete geben, wo die Grenzen des Machbaren
für eineN EinzelneN so weit gesteckt sind wie beim Programmieren. Die
prinzipielle Grenze ist in vielen Fällen nur das eigene Können.

[19] Unter MaintainerInnen verstehen wir Leute, die vorwiegend den
Gesamtzusammenhang eines Software-Projekts im Auge haben. Sie
übernehmen oft vor allem organisatorische Tätigkeiten, während andere
Programmieren, Dokumentation schreiben oder die Web-Site des Projekts
pflegen. In kommerziellen Verhältnissen kommt die Arbeit von
ManagerInnen diesem Typ Tätigkeit am nächsten. Allerdings hat eine
MaintainerIn im Unterschied zu einer ManagerIn keine Macht. Da alle
Leute freiwillig im Projekt mitwirken, können sie sich auch genauso
freiwillig zurückziehen. Und Projekte, die ohne Leute auskommen, die
entwickeln, gibt es bei der Freien Software jedenfalls nicht.

[20] In der Tat ist es auch bei erfolgreicher kommerzieller
Software-Entwicklung heute schon oft so, daß der klassische Befehlston
eher die Ausnahme ist. EinE guteR ChefIn versucht heute den
MitarbeiterInnen zu helfen, einen produktiven Prozeß zu organisieren.
Daß dies Freier Software nicht unähnlich ist, ist kein Zufall, sondern
dem Typ der Tätigkeit geschuldet.

[21] Tatsählich gibt es heute einige Firmen, die EntwicklerInnen
Freier Software bezahlen. Es handelt sich hier aber mindestens in
Einzelfällen nicht um normale Lohnarbeitsverhältnisse, sondern die
EntwicklerInnen sind in ihrem Handeln völlig Frei. So wird der
bekannte Kernel-Entwickler Alan Cox zwar vom großen US-Distributor
RedHat [http://www.redhat.com] bezahlt, er ist aber nicht an
irgendwelche Weisungen gebunden.}}

[22] Der Preis, der für eine Distributions-CD zu entrichten ist, deckt
lediglich den Service der Zusammenstellung und Pressung der CD und
ggf. einer Buchbeigabe und Installations-Support. Es ist aber sogar
direkt von den Servern der großen Distributoren möglich, die gleiche
Distribution ohne jegliches Entgelt an den Distributor zu bekommen. In
diesem Fall werden die Kosten der Reproduktion der Software, die der
Kopiervorgang letztlich bedeutet, direkt vom Abnehmer in Form von
Entgelt an Internet-Provider etc. getragen.

[23] Tatsächlich ist es ja so, daß gerade im Bereich der Informationen
Knappheit erst künstlich geschaffen werden muß, um Informationen
überhaupt erst zur Ware machen zu können. Patente sind eine solche
Verknappungsform im technischen Bereich, Copyright in künstlerischen
und immer mehr auch im Computer-Bereich. Die Verknappung von Software
durch das Urheberrecht oder Software-Patente dient also einzig dem
Zweck, diese Software verkaufbar zu machen.

[24] Als bestes Beispiel mögen die zahllosen GNU-Tools dienen, die
große Teile eines GNU/Linux-Systems ausmachen. Sie haben sich neben
den existierenden kommerziellen Implementierungen der gleichen Tools
durch größere Portabilität, oft eine größere Stabilität und in
praktisch jedem Fall eine höhere Funktionsvielfalt und damit
Mächtigkeit etablieren können.

[25] So sind wir alle durch unsere lebenslange Prägung auf Arbeit und
Tausch alleine schon in unseren Denkmöglichkeiten eingeschränkt.
Allein die häufig zu beobachtende Ungläubigkeit angesichts des
Phänomens Freier Software ist ein deutlicher Hinweis auf diese
verbreitete Schwierigkeit über das Bestehende hinauszudenken.

[26] Da nicht mehr das Profitprinzip als blinder Zwang maßgeblich ist,
können solche Produktionsumgebungen endlich auch wieder z.B.
ökologischen Gesichtspunkten genügen.

[27] Genaugenommen ist vielmehr die Verknappung von Information durch
Copyright und ähnliche Rechtskonstrukte historisch relativ neu. Es
kann nachgewiesen werden, daß die Verknappung von Information erst
eingeführt wurde, als es vor allem durch Bücher und das Verlagswesen
möglich wurde, Information zur Ware zu machen. Die Bindung an das nur
professionell zu reproduzierende Medium Buch diente als Grundlage
dieser Entwicklung und hat sich heute auf alle Informationsspeicher
ausgedehnt. Die Entwicklung der digitalen Kopie und deren
flächendeckende Verfügbarkeit für Privatpersonen unterläuft heute
diese Grundlage.

[28] Ähnliche Entwicklungen kündigen sich übrigens für den Bereich
Film an.

[29] MP3 ist ein Kompressionsverfahren, das Musik in hoher Qualität
auf akzeptable Größe bringt. Es ist die Voraussetzung dafür, daß Musik
als digitale Kopie handhabbar ist. Erst durch diese technische
Innovation ist die Entwicklung auf diesem Sektor möglich geworden.

[30] Musik hat übrigens mit Freier Software gemein, daß sie zu guten
Teilen dem Hobby-Bereich entstammt und Menschen Musikmachen oft als
Teil ihrer individuellen Selbstentfaltung betrachten.

[31] Eine ständig aktualisierte Übersicht über solche Entwicklungen
findet sich in der kommentierten Link-Liste
[http://www.oekonux.de/projekt/links.html] des Projekts Oekonux.

[32] Eine CPU (Central Processing Unit) ist das Herzstück eines jeden
Computers.


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http://www.oekonux.org/


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