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[ox-en] Softwarepatente behindern Standardisierung und Innovation



[1  <text/plain; iso-8859-1 (quoted-printable)>]
Resistance to IPR is becoming mainstream, sz
http://www.berlecon.de/newsletter/ba/2004_09_22.html

2. Aktuelle Spotlight-Analyse: Softwarepatente behindern Standardisierung und Innovation 

Das Thema Standardisierung führt bei Nichttechnikern meistens zu einem Gähnreflex, aber zu unrecht. Denn in der IT sind Standards die Grundlage für Interoperabilität, also dafür, dass Hardware oder Software verschiedener Hersteller miteinander kommunizieren kann. Damit sind sie eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren unserer zunehmend vernetzten digitalen Welt. 

Aber offene, frei nutzbare Standards haben noch einen weiteren Effekt: Sie fördern - unter bestimmten Voraussetzungen - Innovationen. Denn solche Standards zwingen Unternehmen, um die beste Anwendung der Standards zu wetteifern, anstatt sich mit Wettbewerbern darüber zu streiten, wer den Standard setzt. Wie im Sport geht es dann darum, wer der bessere Spieler ist und nicht darum, wer die Spielregeln am besten zu seinen Gunsten verändern kann. 

Was so ein Wettbewerb im günstigsten Fall an Innovationen hervorbringen kann, sieht man am Internet. Ohne die offenen Standards des Internet und die durch die Offenheit und freie Nutzbarkeit ermöglichten kreativen Anwendungen und Geschäftsideen würden wir wohl immer noch vor BTX-Terminals sitzen.

Softwarepatente behindern diesen Prozess, wie zuletzt der Fall SenderID gezeigt hat. SenderID ist ein Vorschlag für einen Standard zur Bekämpfung von E-Mail-Spam und verspricht eine Reduzierung des Spam-Aufkommens durch bessere Authentifizierung der E-Mail-Sender. Um dieses Konzept effektiv umzusetzen, müssen sich aber alle Internet Provider und Softwareanbieter auf ein gemeinsames Verfahren einigen, also auf einen Standard, der in die entsprechende Software eingebaut wird. 

SenderID aber ist vergangene Woche nach heftigen Diskussionen von der entsprechenden Arbeitsgruppe bei der IETF (Internet Engineering Task Force) abgelehnt worden. Der Grund dafür: Patentansprüche von Microsoft auf Teile des Standards, auf die das Unternehmen nicht vollständig verzichten wollte. Zwar hatte Microsoft die kostenlose Nutzung der Patente in Aussicht gestellt, aber der Einigungsvorschlag war im Detail nicht kompatibel zu Open-Source-Lizenzen. Damit könnte der Standard in entsprechende Open-Source-Programme zur Spam-Bekämpfung und zum E-Mail-Transport nicht implementiert werden.

Microsoft sind in diesem Zusammenhang viele Vorwürfe gemacht worden. Aber damit wird der Sack geschlagen, wenn der Esel gemeint ist. Denn letztendlich handelt das Unternehmen nur rational und nutzt die Möglichkeiten aus, die ihm das Patentrecht in den USA gibt. Das machen andere Unternehmen auch, und es ist auch Teil der Spielregeln. Schließlich hat das Management von den Eigentümern des Unternehmens den Auftrag bekommen, für das Überleben und die Wertsteigerung des Unternehmens zu sorgen. Das Problem ist also nicht das Verhalten einzelner Marktteilnehmer. Vielmehr muss gefragt werden, ob Unternehmen überhaupt derartige Patenten anmelden können sollten, mit anderen Worten, ob Softwarepatente zulässig sein sollen oder nicht.

Seit kurzem stehen die entsprechenden Patentanmeldungen von Microsoft online und machen ein weiteres Problem deutlich. Da ein Patent eine Idee und nicht die konkrete Umsetzung schützt, ist es meistens breit angelegt. Das ist nach ersten Analysen zumindest in der Patentanmeldung auch hier der Fall, wie die Diskussion auf xml.coverpages.org zeigt. Wenn dieses Patent gewährt wird - bislang ist es erst eine Anmeldung - dürfte davon sehr viel mehr als nur der Standard SenderID im engeren Sinne betroffen sein. Dadurch steigt die Unsicherheit für Entwickler, ob sie mit entsprechenden Anwendungen nicht Patente verletzen - nicht gerade ein Anreiz, neue Software zu entwickeln.

Diese Problematik kann sich auch für einen größeren Fall in Europa als tückisch erweisen. Im März hatte der EU-Wettbewerbskommissar Monti Microsoft verpflichtet, die Schnittstellenspezifikationen für die Kommunikation zwischen Windows-PCs und Workgroup-Servern offenzulegen. (Derzeit läuft noch eine Klage von Microsoft gegen diese Entscheidung.) Durch diese Auflage sollten Wettbewerber eine Chance haben, kompatible Anwendungen zu entwickeln und so für mehr Wettbewerb sorgen. Die Kommission hat aber Microsoft das Recht eingeräumt, eine angemessene Vergütung für die Nutzung der intellektuellen Eigentumsrechte zu verlangen, sofern diese in Europa geschützt sind.

Diese Auflage dürfte einiges an Wirkung verlieren, wenn Microsoft über Softwarepatente auch in Europa die Möglichkeit bekommt, verstärkt Eigentumsrechte an diesen Schnittstellen und den Kommunikationsstandards geltend zu machen. Auch hier würde z.B. der Wettbewerb durch Open Source Software wegfallen, gerade der sorgt derzeit aber für den meisten Gegenwind und zwingt Microsoft zur Innovation.

Die beiden Fälle zeigen, dass Softwarepatente sowohl Standardisierungsprozesse als auch Innovationen behindern können. Vor dem Hintergrund der Lissabon-Strategie der Europäischen Union, die EU bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, sollten EU-Rat und Parlament deshalb reine Software von der Patentierbarkeit ausnehmen und die entsprechende Richtlinie auch so formulieren, dass die Trennung klar ist. Schließlich sollen rechtliche Regelungen Sicherheit für alle Beteiligten schaffen und nicht neue Ungewissheiten.

Dr. Thorsten Wichmann, tw berlecon.de
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